Aus dem GERICHTSSAAL: Zufallsfund Spraydose?
Ordnungsgeld für Zeugen, der Prozess platzen ließ
Stand:
Die Jugendrichterin baute den Angeklagten mehr als eine goldene Brücke, verwies auf die strafmilderne Wirkung eines Geständnisses. Doch das Quartett blieb bei seiner Behauptung: Nur Florian hat gesprüht. Ein Spaziergänger, der in der Nacht des 13. September 2008 mit seinem Hund Gassi ging, bemerkte allerdings eine Gruppe junger Leute mit Rucksäcken, von denen mindestens zwei mit Spraydosen hantierten. Einer von ihnen soll dermaßen beschäftigt gewesen sein, dass er sogar die Anwesenheit des Zeugen missachtete, der mit seinem Handy die Polizei rief. „Der Mann hatte die Sprayer die ganze Zeit im Blick“, zitierte die Vorsitzende aus der Akte.
Die Staatsanwaltschaft legte den Schulfreunden Malte M.*, Florian F.*, Stefan S.* und Leon L.* - alle 19 Jahre alt – sowie einem bislang unbekannten Mittäter gemeinschaftliche Sachbeschädigung zur Last. Sie sollen mit silberner Farbe großflächig die Buchstaben AB auf eine Haustür gesprüht und Fersengeld gegeben haben, als die Beamten auftauchten. Gestellt wurde die Truppe dennoch.
Leider blieb der Beobachter der Schmiererei trotz ordnungsgemäßer Ladung der Verhandlung fern. Das Gericht verhängte gegen ihn ein Ordnungsgeld von 150 Euro. Falls er dies nicht zahlen kann – so der Beschluss – muss er drei Tage ins Gefängnis. Außerdem hat er die Kosten, die durch sein Ausbleiben entstanden sind, zu tragen.
„Ich war das alleine, ehrlich“, beteuerte Florian F. „Keine Ahnung, warum ich das gemacht habe. Ich hatte ja auch ein paar Bier getrunken.“ Die Spraydose – so seine Behauptung – habe er während einer „Pinkelpause“ zufällig in den Büschen entdeckt und mitgenommen. In der Tat war der Dachdeckerlehrling mit 1,89 Promille ziemlich berauscht.
„Wieso hat keiner von Ihnen dem Treiben von Florian Einhalt geboten?“, fragte die Richterin die drei vermeintlich Unschuldigen. „Wir waren alle gut betrunken. Ich habe schon Doppelbilder gesehen“, behauptete Stefan S. „Ich konnte nicht mehr geradeaus laufen“, so Leon L. Diese Aussagen verwunderten: Die Atemalkoholwerte hatten lediglich zwischen 0,53 und 0,92 Promille gelegen. „Wenn Sie nichts gemacht haben, warum sind Sie dann weggerannt, als die Polizei kam?“, hakte die Vorsitzende nach. „Ich hatte Angst vor den Konsequenzen“, parierte Malte M. „Man weiß doch, wie das läuft: Ermittlung, Anklage, Gerichtsverhandlung.“ Der Abendschüler schien sich auszukennen.
Ohne den fehlenden Zeugen könne man kein Urteil sprechen, befand das Gericht und setzte die Verhandlung aus. Am 12. Januar geht es in die zweite Runde. (*Namen geändert.) Hoga
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: