Landeshauptstadt: Zum Arzt über die Grenze
Doktor-Hopping ins Ausland birgt Tücken / Rechtsgrundlagen beachten
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Doktor-Hopping ins Ausland birgt Tücken / Rechtsgrundlagen beachten Praxisgebühren, höhere Zuzahlungen bei Medikamenten und eine Extraversicherung für Zahnbehandlungen: Die geplanten Änderungen im Zuge der Gesundheitsreform werden für Patienten teuer. In bestimmten Fällen lohnt da der Blick über die Grenze. Allerdings ist es schwierig, die Qualität der medizinischen Dienstleistung im Ausland einzuschätzen, warnt Elisabeth Reker, Europa-Referentin beim AOK-Bundesverband in Bonn. Zudem müssten die Versicherten Acht geben, dass sie auf ihren Kosten nicht ganz oder teilweise sitzen bleiben. Für Behandlungen im Ausland gibt es jetzt zwei Rechtsgrundlagen, erläutert Reker. Zum einen können Reisende vor dem Urlaub im europäischen Ausland bei ihrer Krankenkasse einen Auslandskrankenschein anfordern. Der so genannte E111-Vordruck basiert auf der „EWG-Verordnung über soziale Sicherheit“ und ist für Notfallbehandlungen gedacht. „Er garantiert, dass Sie genauso behandelt werden wie ein Inländer am Urlaubsort“. Je nach Land wird der Vordruck direkt dem Arzt vorgelegt oder erst einer Krankenkasse vor Ort. Die Abrechnung erfolgt dann zwischen der Krankenkasse am Urlaubsort und der zuständigen Krankenkasse in Deutschland. Vom 1. Juni 2004 an sollen die Papiervordrucke durch eine einheitliche europäische Krankenversicherungskarte abgelöst werden. Die zweite Rechtsgrundlage basiert auf einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vom 13. Mai 2003 (Müller-Fauré/van Riet, Rechtssache C-385/99). Danach ist im Sinne des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb Europas die freie Arztwahl auch außerhalb von Notfallsituationen zu gewährleisten. Für ambulante Behandlungen seien grundsätzlich keine Genehmigungen der Kasse erforderlich, entschied das Gericht. Die Entscheidung bezieht sich auf den Europäischen Wirtschaftsraum - das sind die 15 EU-Länder sowie Liechtenstein, Norwegen und Island. Im Rahmen der geplanten Gesundheitsreform soll die Regelung zum 1. Januar 2004 in deutsches Recht übertragen werden. Doch wer sich ganz bewusst für die Behandlung im Ausland entscheidet, muss einiges bedenken. Es sei schwerer, die Qualität der Behandlung zu beurteilen, sagt AOK-Expertin Reker. Merte Bosch, Geschäftsführerin im Hartmannbund, dem Verband der niedergelassenen Ärzte sieht hingegen keine allzu großen Unterschiede bei der Versorgung. „Ich denke, dass die Qualität der Behandlung in den europäischen Ländern vergleichbar ist.“ Kompliziert wird es aber spätestens bei der Abrechnung. „Die Kassen erstatten natürlich nur Behandlungen, die im Sachleistungskatalog stehen“, sagt Michaela Gottfried, Sprecherin des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen (VDAK) in Siegburg. „Abgerechnet werden die deutschen Sätze.“ Dabei schließt der ausländische Arzt mit dem Patienten einen privatrechtlichen Vertrag ab und ist nur grob an die im eigenen Land geltenden Sätze gebunden. Wer sich im Ausland behandeln lassen will, sollte deshalb unbedingt mit der Kasse klären, wie viel sie zahlt. „Der Patient muss voll in Vorleistung treten“, warnt Reker. Für etwaige Zuzahlungen, die im Ausland anfallen, muss er ohnehin auf jeden Fall selbst aufkommen. Das Geld wird nur erstattet, wenn sich der Patient an nationale Vorgaben hält: In Deutschland muss beispielsweise ein Zahnarzt vor einer aufwendigen Zahnbehandlung einen Heil- und Kostenplan erstellen. Die Kassen prüfen diesen Kostenvoranschlag, bevor sie zahlen. „Das gleiche Verfahren wird voraussichtlich auch fürs Ausland gelten“, erklärt Thorsten Jakob, Sprecher der Barmer Ersatzkasse in Wuppertal. Gerade beim Zahnersatz werden Behandlungen im Ausland interessant. Reker rechnet damit, dass sich spätestens nach der EU-Osterweiterung eine größere Anzahl deutscher Patienten Kronen oder dritte Zähne günstig in Tschechien oder Ungarn einsetzen lässt. „Tauchen Probleme auf, kann das schnell eine Milchmädchenrechnung werden“, warnt Barmer-Sprecher Jakob. „Dann sparen sie zwar anfangs, müssen aber zur Nachbehandlung fahren und dafür zahlen.“ In Deutschland gelten für den Zahnersatz strenge Gewährleistungsregeln: Jeder Arzt hat eine zweijährige kostenlose Nachbesserungspflicht. „Wir fordern, dass diese Garantiebestimmungen auch für ausländische Ärzte gelten“, sagt Jakob. Mit einer großen Abwanderung der Patienten rechnen die Experten nicht. „Das lohnt sich für Leute, die im Grenzgebiet wohnen oder vorübergehend im Ausland leben und für Reisende“, sagt Hartmannbund-Geschäftsführerin Bosch. In allen anderen Fällen sei es eher unwahrscheinlich, dass ein Erkrankter erst ins Ausland fahre, um dort zum Arzt zu gehen. „Die Leute werden sich genau überlegen, ob sich eine Behandlung im Ausland für sie lohnt“, bestätigt Krankenkassensprecherin Gottfried. Schließlich kämen noch Fahrt- und Übernachtungskosten hinzu. Bisher gehe der Trend eher in die andere Richtung, sagt Barmer-Sprecher Jakob. „Vor allem Holländer kommen gern über die Grenze, weil es bei ihren Ärzten so lange Wartezeiten gibt und sie das Facharztsystem nicht kennen. Die medizinischen Leistungen in Deutschland sind wohl doch nicht so schlecht, wie es immer heißt.“ dpa
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