Von Tobias Koch: Zum Schlafen in die Wohnbox
Zwei Filmproduzenten ließen sich in Potsdam nieder – und bauten ein ganz besonderes Haus
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Nauener Vorstadt - Eine kleine blaue Plakette am Gartenzaun macht darauf aufmerksam, dass es sich bei diesem Haus um etwas Besonderes handelt. „Schöner Wohnen Haus 2009“ steht dort. Das scheint aber nicht jedem auf den ersten Blick klar zu werden. „Guck mal, die haben die Gardinen draußen“, soll eine ältere Touristin gesagt haben, als sie das Haus in der Großen Weinmeisterstraße im Vorbeigehen erblickte.
Dass es sich nicht um Gardinen handelt, wird bei genauerem Betrachten schnell klar. Der Stahlständerbau besteht größtenteils aus Glas, darüber lassen sich bewegliche, textilbespannte Außenpaneelen schieben. Die schwarzen Stoffbahnen im Zusammenspiel mit der roten Fassade muten ungewöhnlich an. Sie verhindern den Blick von draußen hinein– und ermöglichen ihn von innen nach außen ins Grüne. Der Bau ist auf das Nötigste reduziert, innen wie außen: Der Fußboden weiß und glatt, das Obergeschoss besteht aus einer in die Dachkonstruktion gehängten hölzernen „Wohnbox“, und auch die Einrichtung hat keine unnötigen Ecken und Kanten. Im Garten lässt sich Ähnliches erkennen, eine einfache Wildblumenwiese befindet sich vor dem Haus, alles ist grün. Das von der Zeitschrift „Schöner Wohnen“ prämierte Haus fügt sich dort nahtlos ein.
Genau dies sei auch die Idee für den Bau gewesen, der von der Architektin Julia Bergmann entworfen wurde, sagen die Bauherren. Andreas Coerper und Susanne Müller arbeiten als Filmproduzenten, sie hätten von Anfang an konkrete Vorstellungen davon gehabt, wie ihr Haus aussehen sollte, sagt Bergmann. Im Internet seien die beiden Neu-Potsdamer auf die Berliner Architektin aufmerksam geworden. „Es war uns wichtig, dass dieses Haus etwas Flüchtiges hat, wie ein Zelt wirkt, welches man zusammenfalten und mitnehmen kann“, erklären Susanne Müller und Andreas Coerper.
Anfangs war allein die Vorstellung, in einem Villenviertel zu wohnen, für Andreas Coerper eine unmögliche. Entscheidend dafür, sich doch dort anzusiedeln, waren zwei Dinge: Zum einen, dass Susanne Müller die Gestaltung des Gartens übernahm, und Coerper bauen durfte, wie er wollte – modern in einer denkmalgeschützten Umgebung. Im Weberviertel in Babelsberg wäre das zum Beispiel nicht möglich gewesen, so Coerper. Als die beiden ihr Haus planten, war noch vieles rund um das Grundstück unsaniert, und das Paar fürchtete ein wenig die Einsamkeit. Davon ist heute allerdings keine Rede mehr, denn die Touristen, die das Ausflugslokal Meierei, den Neuen Garten und Schloss Cecilienhof besuchen, bevölkern die Straße vor dem Grundstück und drehen sich immer wieder nach dem schnörkellosen Gebäude um.
Die Reaktionen auf das Haus seien unterschiedlich, sagt Müller: von totaler Begeisterung, wie zum Beispiel bei einem Postboten, der kaum noch zu beruhigen gewesen sei, bis hin zu dem sehr skeptischen Kommentar eines Passanten, der äußerte, dass die Moderne wohl auch nicht totzukriegen sei. In dem lichtdurchfluteten Haus, dem Garten und auch in Potsdam fühlen sich Coerper und Müller wohl, und manchmal, so Coerper, sei es für sie noch unfassbar, in dieser Lage zu wohnen. „Anfangs fiel es uns schwer zu arbeiten, und nicht aus dem Fenster zu gucken“, erzählt Müller lachend. Der Freizeitwert der Umgebung sei „wahnsinnig hoch“, sagt ihr Mann. Auch die Architektin Julia Bergmann zeigt sich zufrieden mit dem von ihr entworfenen Bau. Es sei ein spezieller Auftrag gewesen, er habe viel Zeit gekostet – aber das sei es wert gewesen.
Tobias Koch
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