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Versteppte Wiesen. Die Schäden, die von Picknickern im Neuen Garten angerichtet werden, haben an Umfang dramatisch zugenommen.

© Andreas Klaer

Schlösserparks in Potsdam: Zum Wohle des Steinbeißers

Stadtverwaltung und Schlösserstiftung wollen beim Naturschutz in den Potsdamer Parks enger zusammenarbeiten. Das könnte Folgen für Picknicker und Bader am Heiligen See haben.

Von Peer Straube

Stand:

Potsdam - Muntere Grillpartys auf den Wiesen, immer mehr wilde Badestellen am Heiligen See, dazwischen Familien mit Picknickkörben und stapelweise zurückgelassener Müll: Die Zustände im Neuen Garten werden von Jahr zu Jahr chaotischer – mit dramatischen Folgen für das Welterbe. Seit 2006 sei der Bestand an Biotopen um 40 Prozent zurückgegangen, sagte Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor der Schlösserstiftung, am Freitag vor Journalisten.

Künftig wollen Schlösserstiftung und Stadt gemeinsam gegen das ausufernde Treiben vorgehen. „Wir teilen die Einschätzung der Stiftung, dass die Situation besorgniserregend ist“, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Die Stadt werde „alle Maßnahmen unterstützen, die verhindern, dass auch an anderen Ufern des Heiligen Sees gebadet wird“. Bekanntlich wird das Baden nur am Ostufer des Gewässers von der Stiftung geduldet, am Westufer ist es verboten. Genau dort hatten aber Sonnenhungrige in den vergangenen Jahren vermehrt neue Badestellen eröffnet. Im Sommer tummeln sich täglich bis zu 4000 Menschen auf den Wiesen und an den Seeufern.

Bestand an Biotopen ging in zehn Jahren um 40 Prozent zurück

Bis zum Beginn der neuen Saison wolle man nun über gemeinsame Maßnahmen beraten, kündigte Dorgerloh an. Für konkrete Aussagen sei es jetzt noch zu früh. Massiv verstärkt werden soll jedoch die Öffentlichkeitsarbeit. Man werde die Menschen im Park darüber informieren, welche Schäden sie bei ordnungswidrigem Verhalten anrichten, sagte Dorgerloh.

Wie berichtet sind durch die Menschenmassen im Sommer bereits die Uferlinien am Heiligen See stark in Mitleidenschaft gezogen worden, die biotopgeschützten Wiesen zwischen Grünem Haus und Hasengraben sind inzwischen weitgehend zur Steppenlandschaft verkümmert, Grill- und Lagerfeuerplätze hatten Brandnarben hinterlassen. Man müsse das Bewusstsein der Badegäste dafür schärfen, dass sie sich im Welterbe befänden, sagte Jakobs. Die Stadt unterstütze die Stiftung bereits seit Jahren finanziell bei der Müllbeseitigung, so Jakobs. 10 000 Euro würden dafür jährlich ausgegeben. Allerdings sind diese Kosten wegen der wachsenden Müllberge zuletzt enorm gestiegen: 70 000 Euro musste die Stiftung im vergangenen Jahr für die Abfallentsorgung bezahlen.

Allein die Müllbeseitigung kostet die Stiftung 10 000 Euro im Jahr

Generell wollen Stadt und Stiftung beim Thema Natur- und Denkmalschutz künftig weiter eng zusammenarbeiten. Eine entsprechende, auf zehn Jahre angelegte Vereinbarung unterzeichneten Jakobs und Dorgerloh gestern im Palmensaal der Orangerie im Neuen Garten. Das erste, 2006 geschlossene Abkommen war Ende 2016 ausgelaufen. Wie der Vorgänger regelt das neue Papier die Zuständigkeiten bei der Pflege, beim Natur- und beim Biotopschutz der vier Potsdamer Welterbeparks Sanssouci, Neuer Garten, Babelsberg und Sacrow, die zusammen eine Fläche von 565 Hektar umfassen. Es gewährt der Stiftung viele Freiheiten bei ihren turnusmäßigen Pflegemaßnahmen wie Fällungen, Nachpflanzungen, das Zurückschneiden von Gehölzen, Rasenpflege und Wiesenmahd, aber auch die Entsiegelung von Flächen oder Bodenmodellierungen. Damit soll auch der Verwaltungsaufwand minimiert werden.

Die Vereinbarung sei allerdings keine Generalermächtigung für die Stiftung, „künftig schalten und walten zu können, wie sie will“, betonte Jakobs. Wichtige und einschneidende Maßnahmen würden nach wie vor zwischen Rathaus und Schlösserstiftung abgestimmt. Dazu soll es regelmäßig gemeinsame Begehungen geben, bei denen über die jährlich anstehenden Projekte informiert und sich darüber ausgetauscht wird.

Im Heiligen See lebt der streng geschützte Steinbeißer

Er sei „sehr stolz“, dass die bewährte Praxis der Zusammenarbeit mit der Stadt fortgeführt werden könne, sagte Dorgerloh. In den vergangenen zehn Jahren sei bereits viel erreicht worden, erklärte der Stiftungschef und erinnerte an den Abriss der DDR-Gebäude der früheren Akademie für Staat und Recht im Babelsberger Park sowie die Neugestaltung vieler Gartenbereiche in allen Parks, nicht zuletzt jener rund um das Marmorpalais im Neuen Garten. Gerade dieses Vorhaben sei ein besonders gutes Beispiel für den Biotopschutz. Bei der Sanierung der Kaimauern des frühklassizistischen Schlosses habe man am Seeufer eine Population des Steinbeißers gefunden, ein besonders seltener Fisch, der streng geschützt ist. Beim Bauablauf habe man daher Rücksicht auf die Laichzeiten des Fischs genommen, sagte Dorgerloh. Im Zuge der Bauarbeiten wurde eigens ein artgerechter Laichplatz neu angelegt, 15 000 Euro hat das extra gekostet.

Er freue sich sehr, dass die Wasserqualität des Heiligen Sees so gut sei, dass das Gewässer einer so seltenen Fischart eine Heimat bieten könne, erklärte der Generaldirektor. Auch solche Dinge müsse man im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankern, damit der Wert des Welterbes angemessen hoch eingeschätzt werde. Auch die Stadt habe in diesem Bereich dazugelernt, sagte Dorgerloh. „Beide Seiten verstehen jetzt besser, was Gartendenkmalpflege alles bedeutet.“

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Es ist deswegen allerhöchste Zeit, dass die Schlösserstiftung und die Stadt dagegen vorgehen wollen. Ein Kommentar >>

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