
© Günter Schenke
Landeshauptstadt: Zündstoff im Welterbe-Konflikt
Urania zeigt Studentenentwürfe für ein russisch-orthodoxes Gemeindezentrum am Kapellenberg
Stand:
Nauener Vorstadt – Im Konflikt um den Bau eines Gemeindezentrums für die russisch-orthodoxe Kirchengemeinde gießen Studierende der Fachrichtung Architektur und Städtebau an der Fachhochschule Potsdam Öl ins Feuer. Unter Anleitung ihrer Professorin Martina Abri haben sie Semester- und Masterarbeiten für Neubauten im Weltkulturerbe abgeliefert, die noch bis zum kommenden Donnerstag im Urania-Haus am Bassinplatz zu sehen sind.
Von einem „problematischen Projekt“ spricht Abri, aber auch von einem „tollen Objekt für Studenten“. Und zur Qualität der Arbeiten sagt die Professorin: „Man spürt das Herzblut.“ An drei Standorten am Kapellenberg haben die angehenden Master oder Bachelor of Arts ihre Kenntnisse in Wort, Bild und Modell unter Beweis gestellt.
Besonders mutig erscheint die Arbeit von Jens Krumnow. Der aus Neuruppin stammende Absolvent, der bereits in einem Potsdamer Büro arbeitet, baut sein Gemeindezentrum direkt „in des Königs Garten“ hinter dem historischen Teehaus auf dem Kapellenberg. „Ich habe Modulgrößen des Neubaus vom unmittelbar angrenzenden Bestand übernommen“, beschreibt er nüchtern. Das heißt, das mit Holz verkleidete Teehaus, derzeit Wohnhaus von Erzpriester Anatolij Koljada, und die Remise dienten als Schablonen für die neuen Entwürfe. Die mit Satteldächern versehenen Neubauten auf dem jetzt einsam wirkenden Kapellenberg sehen ungewöhnlich aus, jedoch bleibt der Respekt vor dem Bestand erkennbar.
Respekt vor dem Weltkulturerbe zeichnet auch die übrigen Entwürfe aus. Insgesamt elf Studierende haben ihre Ideen geliefert. Das Spektrum reicht von relativ ungeschminkt aussehenden Neubauten bis zu den fast bunkerartig versteckten Räumen von Andrea Zickhardt, die offenbar den Blick über den Kapellenberg möglichst frei halten will. Der Diakon Daniel Koljada war bei der Vernissage am Donnerstagabend als Vertreter der russisch-orthodoxen Gemeinde anwesend. „Ich bin angenehm überrascht“, sagte er. Und: „Wir werden als Gemeinde ein paar Ideen entnehmen.“
Ob und wann es dazu kommt, bleibt ungewiss. Der Streit um die Neubaupläne für ein Gemeindezentrum dauert nun schon Jahre: Unklar ist nicht nur die Finanzierung, sondern vor allem auch der Standort. Bekanntlich will die Gemeinde auf ihrem eigenen Grundstück bauen, auf dem Friedhof an der Nedlitzer Straße. Dies wird vom Landesdenkmalamt allerdings strikt abgelehnt. Die von der Stadt angebotene Alternative in einem Waldstück zwischen dem Haus des Erzpriesters und dem jüdischen Friedhof lehnt die Gemeinde ab. Neue Entwicklungen gebe es nicht, hatte die Stadtverwaltung erst jüngst am Mittwochabend im Hauptausschuss berichtet.
Dabei erscheint eine Lösung dringend: Die Gemeinde sei zahlenmäßig gewachsen, Koljada spricht von 3000 Mitliedern. Viele kommen aus dem „Umland“ wie Berlin-Spandau oder Jüterbog. Der Raumbedarf sei daher groß, die Alexander-Newski-Gedächtniskirche auf dem Kapellenberg viel zu klein.
Versöhnliche Worte sprach am Donnerstag Hinrich Enderlein, Ex-Kulturminister in Brandenburg, jetzt Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde der Fachhochschule Potsdam: „Das Bauen im Weltkulturerbe ist ein wichtiges Thema gerade für eine Stadt wie Potsdam.“ Der einstige „oberste Denkmalpfleger im Land“, wie er sich selbst bezeichnet, unterstützt die studentische und professorale Initiative: „Wenn Sie sich die Arbeiten ansehen, muss Ihnen das Herz aufgehen.“
Günter Schenke
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: