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Sport: Zur Aufhellung nach Florida
Am Wochenende wollen Potsdams Schwimmer Deutscher Meister werden – dann geht es nach Übersee
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Statt Edelstahl gibt es blaue – 80 Jahre alte – Kacheln. Statt zehn 50-Meter-Bahnen sind es fünf über 25 Meter. Auf der einen Seite ist das Becken gerade mal 110 Zentimeter tief – Startübungen sind nicht möglich. Ohnehin: Startblöcke gibt es nicht. „Wer es nostalgisch mag, dem wird es hier gefallen“, sagt Jörg Hoffmann, Schwimm-Landestrainer und Chefcoach des Potsdamer SV. „Doch moderne Trainingsbedingungen sehen anders aus“, fügt er hinzu. 1934 wurde die Schwimmhalle in der Kaserne am Wildpark gebaut. Seit der Schließung ihres Trainingsdomizils am Luftschiffhafen Anfang Dezember ziehen die Schwimmer täglich im Nostalgiebecken der Bundeswehrkaserne ihre Bahnen, auch gestern – drei Tage vor den Deutschen Mannschaftsmeisterschaften in der 1. Bundesliga am kommenden Wochenende in Essen.
„Inzwischen können wir uns mit den Ersatzstätten einigermaßen arrangieren“, sagt Hoffmann. Dennoch: Das unfreiwillige Nomaden-Dasein zeigt Wirkung. Durch das Pendeln in den vergangenen zwölf Wochen zwischen den einzelnen Trainingsstätten sind nicht alle seiner Schützlinge topfit. „Allein Yannick Lebherz ist in den vergangen zwei Monaten dreimal wegen eines Infekts ausgefallen“, sagt Hoffmann. Seit Dezember rotieren die Schwimmer zwischen Kraftraum am Luftschiffhafen, dem Bad am Brauhausberg und der Geltower Bundeswehr-Kaserne. „Darunter leidet das Training, die Regeneration kommt zu kurz“, so Hoffmann.
Lebherz’ mit Studium und Training programmierter Tag beginnt früh um Fünf und endet meist nach 20 Uhr. „Der Aufwand hat sich schon erhöht und das Regenerationsvermögen leidet darunter“, so der Olympiateilnehmer von London. Für den Titelkampf am Wochenende sieht er sich dennoch gut vorbereitet. „Die Form ist gar nicht so schlecht, im Training bin ich gute Serien geschwommen“, sagt er. So sind trotz der eingeschränkten Trainingsbedingungen die Ambitionen der Potsdamer als Bundesliga-Aufsteiger groß: „Wir wollen um den ersten Platz mitschwimmen“, so Hoffmann.
Das Wettkampfprogramm allerdings verlangt den Athleten einiges ab. Nach neuem Modus des Deutschen Schwimmverbandes (DSV) wird dreimal das komplette olympische Programm geschwommen – jeweils 13 Distanzen bzw. Lagen. Die Wertung erfolgt nach einem Punktesystem des Internationalen Schwimmverbandes FINA. „Jeder schwimmt das, was am meisten der Mannschaft hilft“, sagt Lebherz. So komme es in Essen zu dem seltenen Umstand, dass er in keiner Rückendisziplin an den Start geht. „Denn da sind wir mit Felix Wolf und Franz Müller sehr gut aufgestellt“, sagt Lebherz.
Sowohl die Frauen als auch die Männer ermitteln ihren Mannschaftsmeister. Während das PSV-Männerteam einen Podestplatz anstrebt, würde sich Chefcoach Hoffmann bei den Damen freuen, wenn sie als Neuling in der 1. Bundesliga den Klassenerhalt schaffen. Die zwei letztplatzierten Teams steigen in die zweite Bundesliga ab.
Mit zwölf Kaderathleten des PSV wird Hoffmann eine Woche später nach Forida reisen und am „Arena Grand Prix“ in Orlando teilnehmen. Der Langbahn-Wettkampf wurde bereits im vergangenen Sommer geplant, „aber jetzt muss man ihn anders einordnen“, meint Hoffmann mit Blick auf die eingeschränkten Trainingsmöglichkeiten. Das Motto sei nunmehr: „Hoffen, nichts erwarten.“ Auf alle Fälle werde die Wettkampfreise und ein anschließendes Kurz-Trainingslager bei einem befreundeten Schwimmklub in Jacksonville ein Stimmungsaufheller sein.
Und dann? Hoffmann baut auf die Ankündigung von Stadt und Pro Potsdam GmbH, dass die Schwimmhalle am Luftschiffhafen nach dem Austausch der verschlissenen Statik- und Trageelemente im Mai wieder öffnet. „Bis Mai halten wir durch.“ Länger sei mit den bisherigen Alternativen ein Schwimmtraining auf und für Spitzenniveau kaum noch zu gewährleisten. Eine sinnvolle Periodisierung nach trainingswissenschaftlicher Methodik, wonach zunächst Grundlagenausdauer und später Wettkampfspezifik trainiert wird, konnte schon jetzt nicht mehr umgesetzt werden. „Wenn sich Brust- und Rückenschwimmer eine Bahn teilen müssen, kann man keine Spezifik trainieren“, so Hoffmann. Die neue Startmethode für Rückenschwimmer, die international seit Jahresbeginn zugelassen ist und die den Schwimmern mithilfe eines rutschfesten Tritts einen besseren Start ermöglicht, konnten die Potsdamer bislang nicht trainieren. „Das hat uns die Konkurrenz voraus“, sagt Hoffmann.
In Abstimmung mit dem Deutschen Schwimmverband (DSV) hat Hoffmann die ursprüngliche Jahresplanung ad acta gelegt und und neu überdacht. Sollte die Schwimmhalle am Luftschiffhafen länger als bis Mai geschlossen bleiben und es auch keinen Ersatz geben, sorgt sich die PSV-Spitze um die Unterstützung des Deutschen Schwimmverbandes. Dieser fördert Potsdam als DSV-Standort. Doch auf Dauer werde der Verband keine Improvisationen finanzieren. Es gebe andere attraktive Standorte, die sich um die Fördergunst des Verbandes bemühen. Ohne DSV-Mittel aber sei kein Spitzenschwimmsport möglich.
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