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Der Stadtverordnete Hans-Jürgen Scharfenberg (Linke).

© Andreas Klaer

Zur Halbzeitbilanz des Oberbürgermeisters: „Große Ankündigungen, wenig Vorzeigbares“

Hans-Jürgen Scharfenberg von den Linken ist Potsdams dienstältester Stadtverordneter. Hier erklärt seinen Blick auf die bisherige Arbeit von Rathauschef Mike Schubert (SPD).

Stand:

Die ersten vier Jahre sind schnell vergangen. Ich erinnere mich noch gut an die launige Amtseinführung, die mir eigentlich Optimismus vermittelt hat. Ein Ossi, ein Potsdamer, ein Stadtverordneter, ein Landesbediensteter, ein Sozialbeigeordneter. Und arbeitslos war er auch schon mal. Da kam einiges zusammen, das gute Voraussetzung für die erfolgreiche Ausübung eines verantwortungsvollen kommunalen Amtes sein konnte. Zudem verfügt unsere Stadt über ein hervorragendes Potential, das mit etwas Geschick bewahrt und weiter entwickelt werden kann.

Ich musste allerdings sehr schnell erkennen, dass sich dieser neue Oberbürgermeister nicht als Lernender verstand, sondern aus seinem Erfahrungshintergrund ableitete, dass er eigentlich schon alles weiß und kann.

Mit dem Versprechen von mehr Bürgernähe leitete er, übrigens aus einem Antrag der Linksfraktion zur jährlichen Durchführung von Einwohnerversammlungen in allen sechs Sozialräumen der Stadt, ein ehrgeiziges Konzept zu regelmäßigen Stadtteilkonferenzen, Stadtteilrundgängen und Bürgersprechstunden ab, das allerdings in seinen Grundsätzen bisher nicht realisiert wurde. So finden die Stadtteildialoge eher sporadisch und nicht nach einer erkennbaren Systematik statt. Eine Abstimmung und Auswertung mit den Stadtverordneten ist offensichtlich auch nicht gewollt.

Ich musste allerdings sehr schnell erkennen, dass sich dieser neue Oberbürgermeister nicht als Lernender verstand, sondern aus seinem Erfahrungshintergrund ableitete, dass er eigentlich schon alles weiß und kann.

 Hans-Jürgen Scharfenberg

Ähnlich war es bei der Modernisierung des Verwaltungscampus in der Friedrich-Ebert-Straße. Ohne Abstimmung mit den Stadtverordneten entwickelte der OB 2020 die sensationelle Idee einer kompletten Verlagerung der Stadtverwaltung in die Heinrich-Mann-Allee. Über den Umweg einer zweijährigen Prüfung dieser Radikalalternative zu den langjährigen Vorarbeiten sind wir nun wieder bei der Konzentration der Verwaltung in der Stadtmitte angelangt.

Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) ist seit vier Jahren im Amt.

© Foto: PNN / Ottmar Winter

Scharfenberg sieht keine Fortschritte in der Zusammenarbeit mit den Ortsteilen und den Ortsbeiräten

Auffällig ist beim wichtigen Thema Wohnen, dass die Stadtverordnetenversammlung mit mehreren Grundsatzbeschlüssen klare Handlungsaufträge an den Oberbürgermeister erteilt hat, die zum Teil von ihm regelrecht ignoriert worden sind. Das lange Gezerre um eine Evaluierung und Fortschreibung des städtischen Wohnkonzepts ist beredtes Beispiel dafür.

Keine Fortschritte gibt es in der Zusammenarbeit mit den Ortsteilen und den Ortsbeiräten, obwohl es auch hierbei große Versprechungen gab. Das gleiche gilt für die interkommunale Zusammenarbeit mit den umliegenden Landkreisen und Gemeinden, die eher lustlos und ohne erkennbaren Zuwachs geführt wird.

Das alles hängt wesentlich mit der Sicherung einer handlungsfähigen Verwaltung zusammen. Hier hat Herr Schubert frühzeitig mit der Schaffung von zahlreichen zusätzlichen Stellen Abhilfe versprochen. Diese Verstärkung der Verwaltung stimmt jedoch offensichtlich nicht mit dem Grundsatz einer bedarfsgerechten Personalausstattung überein, wie Defizite in sensiblen Verwaltungsbereichen, zum Beispiel im Bereich Wohnen, zeigen.

Ein Kernproblem sehe ich darin, dass OB Schubert nicht den notwendigen Respekt im Umgang mit der Stadtverordnetenversammlung zeigt. Stattdessen setzt er auf eine Perfektionierung der Blockbildung durch Privilegierung der Fraktionen der Rathauskooperation.

Ein Kernproblem sehe ich darin, dass OB Schubert nicht den notwendigen Respekt im Umgang mit der Stadtverordnetenversammlung zeigt.

Hans-Jürgen Scharfenberg

Das hat sich nicht zuletzt bei der Idee eines Forums an der Plantage mit einem Haus der Demokratie gezeigt. Ich finde es bezeichnend, dass die Überlegung zur Ansiedlung des Plenarsaals der Stadtverordnetenversammlung neben der Garnisonkirche ohne vorherige Diskussion mit den Stadtverordneten kreiert worden ist. Statt den versprochenen Konsens in der Stadtverordnetenversammlung herzustellen, wurde auf Drängen des OB überhastet mit einer knappen Mehrheit der Rathauskooperation eine Grundsatzentscheidung gegen die Bedenken der Opposition herbeigeführt. So löst man keine Probleme, sondern schafft neue.

Kennzeichnend für eine bürgerferne Arbeitsweise war die kürzlich Anweisung des OB, das mit viel Aufwand sanierte Kiezbad am Stern als gebündelten Beitrag zur Energieeinsparung geschlossen zu halten. Es ist dem starken Protest der Sternbewohner und von Linken, der CDU und Die Andere zu verdanken, dass die beliebte Schwimmhalle wieder geöffnet worden ist.

Letztlich ist nach den vier Jahren festzustellen, dass Herr Schubert mit großen Ankündigungen, einschließlich der Erwartung, alles anders und besser zu machen als sein Vorgänger, wenig Vorzeigbares erreicht hat. Dabei rächt sich auch, dass er offensichtlich nicht zu einer fairen Aufgabenteilung mit seinen Beigeordneten bereit ist, sondern in egozentrischem Selbstverständnis immer wieder dazu neigt, alles auf seine Person zu ziehen.

So gelingt es ihm nicht, in einer dienenden Rolle eine schöpferische Atmosphäre zu schaffen, in der gemeinsame Verantwortung gestärkt und das große Potential der Stadt ausgebaut wird.“

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