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Sport: Zurück im Mittelpunkt
Petra Kvitova siegte in Wimbledon überraschend. Alle glaubten an Eugenie Bouchard
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London - Zumindest ein Traum hatte sich für Eugenie Bouchard erfüllt. In der Royal Box des Centre Courts von Wimbledon nahm am Samstagnachmittag Prinzessin Eugenie von York Platz, die Enkelin von Königin Elisabeth II. „Es wäre unglaublich, die Person zu treffen, nach der man benannt wurde“, meinte die 20-jährige Tennisspielerin – und so kam es. Ihre Mutter Julie ist von jeher eine glühende Verehrerin der royalen Familien gewesen und hatte ihren vier Kindern Eugenie, Beatrice, Charlotte und William allesamt Namen von Mitgliedern eines Königshauses gegeben. Und Julie Bouchard hätte es sicher gerne gehabt, wenn in den Adern ihrer Eugenie auch blaues Blut fließen würde. Doch das, was ihre Tochter durchdringt, ist nicht adelig, sondern eher eisig.
Denn so kaltschnäuzig und cool ist schon lange keine junge Spielerin mehr auf der großen Tennisbühne aufgetaucht. So zweifelte vor ihrem Final-Debüt auch kaum jemand daran, dass Bouchard sich holen würde, worauf sie von klein auf geradezu versessen hingearbeitet hatte: einen Grand-Slam-Titel. Doch der Traum vom Wimbledonsieg wurde der Kanadierin durchkreuzt. Von einer Frau, die an diesem Tag noch abgebrühter spielte, als es Bouchard sonst tut: Petra Kvitova.
Niemand hatte geglaubt, dass das Endspiel derart einseitig werden könnte. Schließlich ist Bouchard eine so nervenstarke Wettkämpferin, die niemals aufgibt und ihre Gegnerinnen gerne dominiert. Doch sie kam nie dazu, ihr aggressives Spiel anzubringen, Kvitova ließ absolut nichts zu. Die 24 Jahre alte Tschechin spielte wie im Rausch. „Ich war heute wie in der Zone“, staunte sie später selbst nach dem rasanten 6:3 und 6:0-Sieg, „schon nach den ersten beiden Spielen merkte ich: Okay, das ist heute nicht normal.“
Normal war auch für Kvitova nach ihrem erstem Wimbledon-Triumph vor drei Jahren nichts mehr gewesen. Damals hatte die hochgewachsene Linkshänderin Maria Scharapowa im Finale vorgeführt, und auf einen Schlag war die schüchterne Tschechin auf allen Titelseiten und in der Heimat ein Star. „Der ganze Trubel und die Aufmerksamkeit hinterher – das war eigentlich das Schlimmste für mich an diesem Sieg“, erinnerte sich Kvitova. Auch mit den hohen Erwartungen kam sie nicht zurecht. „Danach dachte ich, ich müsste jedes Match gewinnen, weil ich jetzt ein Grand-Slam-Champion bin“, sagte sie, „ich habe zuviel von mir erwartet.“
Doch auch die Ansprüche vom tschechischen Verband, den Fans, den Medien an sie wurden immer größer. „Ich wurde sehr oft kritisiert“, sagte Kvitova und schien immer noch getroffen, „alles, was ich machte, reichte ihnen nicht.“ Die Nummer eins der Welt sollte sie werden und weitere Grand-Slam-Titel gewinnen. Kvitova kletterte jedoch nur bis auf Rang zwei und kam in Melbourne und Paris bis ins Halbfinale. Plötzlich galt sie als Versagerin, was Spuren hinterließ.
„Meine Leistungen gingen nur noch auf und ab“, meinte Kvitova. Auch diese Saison war bisher durchwachsen: in Australien scheiterte sie in Runde eins, in Paris in der dritten Runde. Doch Kvitova wusste, dass ihr Spiel mit den harten, flachen Grundschlägen und dem schnellen Aufschlag wie gemacht ist für den Rasen. Kvitova biss sich daher in dieses Turnier, überstand eine heikle dritte Runde, als sie gegen die fünfmalige Wimbledonsiegerin Venus Williams nur zwei Punkte vom Aus entfernt war. Dieses Match entfachte neues Selbstvertrauen, doch zu den Favoritinnen zählte sie nicht einmal vor dem Finale. Alle Welt sprach nur von Bouchard.
„Niemand hat wirklich daran geglaubt, dass ich nochmal so gut spielen und einen weiteren Grand Slam gewinnen könnte“, betonte Kvitova, „und jetzt stehe ich hier. Und dieses Mal werde ich es genießen.“ Die große Tennislegende Martina Navratilova, die neunmal in Wimbledon gewann, hatte allerdings immer an Kvitova geglaubt. „Ich werde aber noch härter arbeiten müssen, wenn ich dich noch einholen will“, rief sie der tschechische Tennisspielerin Navratilova auf der Tribüne zu. Und beide kämpften mit ihren Tränen. Petra Philippsen
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