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Von Juliane Sommer: Zurück zur Natur
Schlitze im Deich machen Weg frei für Wildnis im Unteren Odertal / 64 Hektar großer Polder geschaffen
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Mescherin - Drei riesige Löcher klaffen im Oderdeich nördlich von Mescherin. In den vergangenen Wochen haben Baufirmen den zwei Kilometer langen Deich des sogenannten Staffelder Polders auf 40, 60 und 100 Meter Länge geöffnet. Nun kann hier im nördlichen Teil des Nationalparks Unteres Odertal das Wasser in die Polderwiesen hinein- und herausströmen, wie der Pegelstand es gerade erfordert.
„Wir haben diesen Abschnitt des Odertals jetzt komplett der Natur zurückgegeben“, sagt Umweltstaatssekretär Dietmar Schulze am Freitag bei einer Besichtigungsfahrt auf der Oder.
Schulze sieht diese Entwicklung nicht ganz ohne nostalgische Erinnerungen. Arbeitete er doch vor seiner Zeit als Staatssekretär als Landwirt und später als Landwirtschaftsamtsleiter in der Region.
„Ich kenne das Odertal noch, als Rinder und Pferde auf der Weide standen. Doch seit der Wende wurde hier keine Landwirtschaft mehr betrieben. Da ist es in Ordnung, diese Flächen komplett der Natur zurückgegeben“, sagt er. Die Wiesen waren erst 1924 eingedeicht worden – ausschließlich für landwirtschaftliche Nutzung. Westlich von ihnen erhebt sich die Grundmoränenkette, die weit höher als der Flusslauf liegt und damit vor jedem Hochwasser geschützt ist.
„Die Arbeiten waren nicht leicht“, berichtet Bauleiterin Kerstin Baumgärtner vom Landesumweltamt. „Wegen des moorigen Untergrunds musste Spezialtechnik eingesetzt werden“, sagt sie. Zudem sei die 1945 hart umkämpfte Fläche stark munitionsverseucht. Mehrere Granaten wurden gefunden und mussten vor Ort gesprengt werden. Bei der Munitionssuche entdeckten die Trupps des Munitionsbergungsdiensts auch Skelette von drei Soldaten, die dann umgebettet wurden.
Für Nationalpark-Chef Dirk Treichel ist die Schlitzung der Deiche ein Meilenstein auf dem Weg zu einem echten Nationalpark, der zu 50 Prozent aus einer Wildniszone bestehen soll. „Hier oben im Norden zu beginnen, bot sich nicht nur an, weil hier ohnehin keine Landwirte mehr gewirtschaftet haben. Es hat auch aus Naturschutzgründen Sinn.
Hier gibt es sensible Moorstandorte, die durch die künstliche Trockenhaltung in den vergangenen Jahrzehnten erheblich gelitten haben und die sich nun regenerieren können“, sagt Treichel. Intakte Moore seien auch für den Klimaschutz wichtig. Sie dienen in Trockenzeiten als Wasserspeicher. Trocknen sie hingegen dauerhaft aus, setzen sie riesige Mengen klimaschädliches Kohlendioxid frei.
Unter anderem deshalb sollen Moore in Brandenburg wieder renaturiert werden. „Hier sind wir mit einer Fläche von 64 Hektar dabei. Ein kleines Stück zwar nur, aber ein Anfang“, sagt Staatssekretär Schulze. Für ihn ist die Schlitzung der Oderdeiche zugleich die Generalprobe für ein noch viel größeres Deichumbauvorhaben des Landes.
Noch in diesem Jahr sollen bei Lenzen die Elbdeiche weiter ins Hinterland verlegt werden, um dem Fluss bei Hochwasser Ausbreitungsmöglichkeiten zu geben. „Dafür ist das, was wir hier an der Oder sehen, so etwas wie eine Generalprobe“, sagt Schulze.
Juliane Sommer
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