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Die Glienicker Brücke  einst Symbol der Teilung, heute verbindendes Element zwischen Ost und West. Doch ist die Teilung 20 Jahre nach dem Mauerfall tatsächlich überwunden? Darüber diskutieren unweit der Brücke in Griebnitzsee Politologen aus aller Welt.

© dpa

Von Anja Reischke: Zusammenwachsen

20 Jahre nach dem Mauerfall: Größtes Politologentreffen Europas an der Universität Potsdam

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Wächst tatsächlich zusammen, was zusammengehört? Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall und in unmittelbarer Nähe des einstigen Grenzstreifens schwebt diese Frage in Anlehnung an Willi Brandts historischen Ausspruch wie selbstverständlich über der 5. Generalkonferenz des European Consortium for Political Research (ECPR). Bis morgen noch tagt die europäische Politologenvereinigung in der Universität Potsdam in Griebnitzsee. Rund 2500 Politikwissenschaftler aus aller Welt sind hierher gekommen, um sich in geschichtsträchtiger Umgebung über neueste demokratische Entwicklungen, die europäische Integration, Parteien, Wahlen und natürlich das Zusammenwachsen von Ost und West auszutauschen.

Die Entscheidung des ECPR für Potsdam als Tagungsort hatte aber nicht nur symbolischen Charakter. Vielmehr konnte sich die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität gegenüber den Mitbewerbern durchsetzen, weil Infrastruktur und Gegebenheiten vor Ort stimmen, so Tagungsleiter Klaus H. Goetz. Die größte europäische Politologenkonferenz hier in Potsdam zu haben, bringe der Universität Renommee und internationale Anerkennung.

Bedeutende Politikwissenschaftler wie der Amerikaner John J. Mearsheimer oder Richard Rose, einer der Gründerväter des ECPR, weilen auf der Konferenz. Mearsheimer wird heute in seinem Vortrag „Vom Zusammenbruch des Kommunismus zur Krise des Kapitalismus“ auf die zwanzig Jahre seit dem Mauerfall zurückblicken und über das sich ändernde Verhältnis zwischen Europa und den USA sprechen. Ein weiteres Highlight war die gestrige Podiumsdiskussion „Postdemokratie oder neue demokratische Bewegung?“, die von dem bekannten Berliner Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel geleitet wurde. Angesichts der wegen der Finanzkrise zunehmenden staatlichen Eingriffe in die Märkte stellen sich die Wissenschaftler die Frage, ob neue demokratische Bewegungen entstehen könnten, die die Politik gegen die Wirtschaft treiben.

Zwei Runde Tische beschäftigen sich am morgigen Samstag aus aktuellem Anlass mit den Wahlen: ECPR-Präsident Luciano Bardi aus Pisa schaut auf die Europawahlen 2009 zurück und thematisiert dabei auch eine mögliche Wahlrechtsreform. Und Gastgeber Klaus H.Goetz, Professor für Politik und Regieren an der Universität Potsdam, moderiert einen Runden Tisch zu den bevorstehenden Bundestagswahlen, bei dem eine Bilanz der Großen Koalition gezogen und die Aussichten der einzelnen Parteien diskutiert werden sollen.

Für die Potsdamer Politikwissenschaften und besonders für ihren Nachwuchs sei die Tagung eine Chance, interessante Kontakte zu knüpfen, so Goetz. Konferenzen dieser Größe dienen vor allem dem Austausch und der Vernetzung. In mehr als 50 Arbeitsgruppen werden bislang unveröffentlichte Thesen diskutiert. Gerade für Doktoranden sei dies ein wichtiger Prüfstand. Auch neue Projektideen entstehen hier und Kooperationen bahnen sich an. Das werde, so Goetz, in einer schnelllebigen Wissenschaft wie dieser, die von zeithistorischen Ereignissen wie eben dem Mauerfall mitbestimmt werde, immer wichtiger. Auf diese Weise können in weiteren zwanzig Jahren Nachwuchswissenschaftler aus Ost und West, die heute in die Politologengemeinschaft aufgenommen werden, bei der vielleicht 15. Generalkonferenz des ECPR „zusammengewachsen“ sein – wie dann auch Deutschland und Europa.

Anja Reischke

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