Von Henner Mallwitz: „Zutiefst betrübt“
Ruder-Bundestrainerin Jutta Lau verlässt enttäuscht Potsdam und versucht sich in China
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Sie zählt zu den besten Trainerinnen der Welt, führte ihre Schützlinge zu siebenfachem Olympiagold und zahlreichen Weltmeistertiteln, war selbst zweifache Olympiasiegerin und Weltmeisterin – und schmeißt nun das Handtuch. Jutta Lau, die jahrzehntelang den Frauen-Scullbereich als Bundestrainerin am Potsdamer Seekrug trainierte, verlässt Deutschland und übernimmt bereits Anfang Februar einen neuen Trainerjob in China.
Die Ruderer aus dem „Reich der Mitte“ treten in diesem Jahr nicht bei den Weltmeisterschaften an, sondern bereiten sich ausschließlich auf ihre landeseigenen „Olympischen Spiele“ vor. Jutta Lau wird als Cheftrainerin für die etwa eine Flugstunde von Peking gelegene Region Chang Dong den Frauen- und Männerbereich betreuen und von 2010 bis 2012 die chinesischen Scullerinnen auf die Olympischen Spiele in London vorbereiten. China kennt sie sowohl von den Spielen, als auch von zwei Trainingslagern.
„Mein Entschluss fiel mir nicht leicht und ich weiß auch nicht, ob er der richtige ist“, sagte gestern eine spürbar enttäuschte Trainerin, nachdem sie den Deutschen Ruderverband (DRV) von ihrem Fortgang in Kenntnis gesetzt hatte. Letztlich ist dieser jedoch der Grund ihrer schwerwiegenden Entscheidung. Denn: „Mit den neuen Strukturen des DRV, der Gleichschaltung der Disziplintrainer ohne Einbeziehung ihrer Erfolge, mit dem neuen Schablonendenken und der Entscheidungsgewalt, die der neue Cheftrainer Hartmut Buschbacher inne hat, kann ich nicht arbeiten.“
Von „erniedrigenden Gesprächen“ erzählt sie, die bei einer Zusammenkunft in dem Harzer Ort Elend überhand nahmen. Von eklatanten Meinungsverschiedenheiten über die Mittel und Wege, die den deutschen Rudersport wieder zu altem Ruhm führen könnten, und von der stets zu spürenden Absicht vonseiten des Verbandes, den Stützpunkt Potsdam „klein zu halten“. Die Auseinandersetzung mit den Verbandsoberen spitzte sich nach Meinung Laus drastisch zu, als sie zu zwei DRV-Sitzungen in Potsdam vom inzwischen geschassten DRV-Sportdirektor Michael Müller ausgeladen wurde. „Dabei ging es offiziell um die Zukunft des Potsdamer Stützpunktes.“
Dieser wird inzwischen von Kathrin Boron geleitet. Jener Ausnahmeruderin, die sich nicht zuletzt unter den Fittichen Jutta Laus zur erfolgreichsten Ruderin aller Zeiten entwickelte. Der einstige Schützling war plötzlich nun eine Art „Nebentrainerin“: „Ich musste irgendwann die Notbremse ziehen“, sagt Jutta Lau. „Aber irgendwie bin ich auch zutiefst betrübt.“
Betrübt, aber auch enttäuscht. Eben weil die Garde der Schulterklopfer, die es zu Zeiten großer Erfolge zuhauf gab, plötzlich sehr klein geworden, ja nahezu weggebrochen war. Und so gab es weder bei um Hilfe gebetenen Brandenburger Bundestagsabgeordneten Unterstützung, als sie ihre Sorgen um die zukünftige Leistungsstärke des Potsdamer Stützpunktes kundtat, als auch bei der brandenburgischen Landesregierung, wenn es um die Zukunft der „Eliteschmiede“ an der Havel ging. „Das hat mich frustriert, und so kann und will ich auch nicht mehr weitermachen“, sagt Jutta Lau, die beim derzeitigen Stand der Dinge und der ihrer Meinung nach fehlenden trainingsmethodischen Grundkonzeption dem deutschen Rudersport keine gute Entwicklung in Hinblick auf die nächsten großen anstehenden internationalen Aufgaben voraussagt.
Jutta Lau hat ihre Konsequenzen gezogen, weil sie sich nicht verbiegen will. Weil sie für ihre Erfolge einst als weltbeste Trainerin ausgezeichnet wurde, weil sie weiß, worüber sie redet, nie in altem Fahrwasser fuhr und nun etwas Neues probieren will. „In China hat der Leistungssport eben einen sehr hohen, einen anderen Stellenwert“, weiß sie. „Die Masse der Athleten ist willig. Vor allem aber wurde mir ein großes Maß an persönlicher Kreativität zugesichert.“
Wie es in Zukunft am Seekrug weitergeht, weiß sie nicht. Über ihre Nachfolge entscheidet Kathrin Boron, die sich heute mit Jutta Lau treffen wird. „Erst dann“, so sagt Boron, „werde ich zu dem Ganzen etwas sagen können.“
Henner Mallwitz
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