Aus dem GERICHTSSAAL: Zutiefst frustrierter Whisky-Dieb
Gericht: Nicht nachweisbar, dass der Angeklagte die Beute mit Gewalt verteidigen wollte / Bewährung
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„Für Zigaretten hätte mein Geld ja noch gereicht, für Schnaps aber nicht“, gibt Holger H. (40, Name geändert) unumwunden vor dem Schöffengericht zu. Doch Alkohol brauchte der Kleinunternehmer, um das Fußball-Weltmeisterschaftsspiel am 24. Juni richtig genießen zu können. In der Kaufland-Filiale Am Moosfenn steckte sich der Mann mit dem Schnauzbart eine Flasche Whisky im Wert von 7,89 Euro in die Jackentasche, nicht ahnend, dass er per Video vom Ladendetektiv beobachtet wurde. Der bat ihn anschließend in sein Büro, um die Sache unter vier Augen zu klären.
Laut Anklage soll sich Holger H. daraufhin wie wild gebärdet haben. Der Wachmann rief einen Kaufland-Mitarbeiter zu Hilfe, um ihn zu bändigen. Zwei weitere Kollegen schalteten sich ein, bugsierten den sich heftig Sträubenden schließlich ins Büro. Der Detektiv alarmierte die Polizei.
„Ich wurde quasi vergewaltigt“, beschwert sich der wegen räuberischen Diebstahls und Körperverletzung Angeklagte. „Dabei habe ich niemanden geschlagen. Die Polizei verwahrte mich zwei Stunden in der Zelle. Mit dem Fußballgucken war es natürlich Essig.“ „Mein Mandant war zu dieser Zeit sehr frustriert“, wirft der Pflichtverteidiger ein. Neben dem Ärger über zahlreiche unbezahlte Rechnungen seiner Kunden kam an diesem Tag auch noch die Wut dazu, zweimal von der Polizei geblitzt worden zu sein.“ Aus diesem Grund sei Holger H. alles andere als scharf darauf gewesen, auch noch persönlich mit den Ordnungshütern konfrontiert zu werden. Auf keinen Fall habe er flüchten wollen, um im Besitz des Diebesgutes zu bleiben, wie es ihm die Staatsanwaltschaft vorwerfe. Der als Zeuge gehörte Detektiv sieht den Vorfall im Nachhinein nicht besonders dramatisch. „Er schlug unkontrolliert um sich. Ich habe ein paar Stöße gegen die Brust bekommen und auch einen Druckschmerz verspürt“, so der Wachmann. Da er sich dem Ertappten körperlich unterlegen fühlte, auch intuitiv mit dessen Gegenwehr rechnete, habe er Kollegen dazu gerufen. „Wäre der Beschuldigte normal mitgekommen, wäre die Situation nicht eskaliert.“ Der Staatsanwalt sieht in Holger H. nach wie vor einen räuberischen Dieb und beantragt, den Maschinenbau-Ingenieur zu zehn Monaten auf Bewährung zu verurteilen. Das Schöffengericht kommt zu der Auffassung, der Angeklagte habe sich „lediglich“ wegen Ladendiebstahls, versuchter Nötigung und Körperverletzung schuldig gemacht. Ihm sei nicht nachzuweisen, dass er die Flasche Whisky mit Gewalt verteidigen wollte. Da er jedoch bereits einschlägig vorbestraft sei, solle er mit einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten, ausgesetzt zu dreijähriger Bewährung, sanktioniert werden. Hoga
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