zum Hauptinhalt
Hoffnungsvoll auf den Dorney Lake. Tim Wieskötter von KC Potsdam will mit dem deutschen Viererkajak über 1000 Meter am Donnerstag möglichst zu einer Medaille paddeln.

© imago/Sven Simon

Sport: Zuversichtlicher Rückkehrer

Bei der olympischen Kanu-Regatta auf dem Dorney Lake will der Potsdamer Tim Wieskötter nach einem verkorksten Jahr 2011 ab heute mit dem deutschen VIERERKAJAK eine Medaille über 1000 Meter gewinnen

Stand:

Tim Wieskötter sitzt im Maschinenraum des Viererkajaks. Als Maschinenraum bezeichnen die Kanuten die hinteren Plätze im Boot, und Wieskötter bestreitet die am heutigen Dienstag beginnenden olympischen Rennen des deutschen K4 über 1000 Meter auf der sogenannten Position drei. Vor ihm schwingen die beiden Berliner Marcus Groß und Norman Bröckl das Paddel, hinter ihm Max Hoff aus Essen. „Max und ich sollen dem Vierer auf der Strecke den richtigen Schub geben“, erläutert Wieskötter, der mit seinem heutigen Start ein gelungenes Comeback krönt.

In der vergangenen Saison nämlich fehlte der Paddler des Kanu-Clubs Potsdam im OSC auf den internationalen Regattastrecken. Da er bei der ersten nationalen Ausscheidung wegen einer Schleimbeutel- Entzündung in der rechten Schulter pausieren und die zweite Qualifikation im Einerkajak über 1000 Meter krankheitsbedingt nach Vor- und Zwischenlauf abbrechen musste, fehlte Tim Wieskötter 2011 erstmals seit 1999 in der deutschen Kanu-Nationalmannschaft. Doch der aus Emsdetten stammende Ingenieurswissenschafts-Student der TH Wildau, der seit 1999 für den KC Potsdam paddelt, wollte sich nicht sang- und klanglos verabschieden. „Ich will es noch einmal wissen, will in London starten und dort wieder erfolgreich sein“, verkündete er im Winter mit ungebrochenem Kampfgeist. „Dass ich es im vergangenen Jahr nicht geschafft hatte, war ein richtiger Break. Mit dem musste ich erst einmal fertigwerden, denn der Frust saß tief.“ Doch Wieskötter rappelte sich wieder auf und erkämpfte sich in der nationalen Qualifikation das Ticket nach Eton bei London. „Nun bin ich glücklich, wieder dabei zu sein“, sagt er jetzt.

Die Wettfahrten auf dem Dorney Lake nahe der britischen Hauptstadt sind Tim Wieskötters vierte Olympische Spiele – und die ersten nicht im Zweierkajak über 500 Meter. In dem K2 war er bei seiner Premiere unter den olympischen Ringen 2000 in Sydney mit seinem langjährigen Erfolgspartner Ronald Rauhe zu Bronze gepaddelt, vier Jahre später in Athen Olympiasieger geworden und 2008 in Peking auf Platz zwei gelandet. Nachdem der Kanu-Weltverband ICF 2009 vom Internationalen Olympischen Komitee die 500 zugunsten der 200 Meter aus dem Olympia-Programm streichen ließ, ging das einstige Erfolgs- Duo getrennte sportliche Wege. Rauhe orientiert sich ganz auf den Sprint, während sich Wieskötter auf den olympischen 1000-Meter-Viererkajak konzentriert.

War olympisches Silber vor vier Jahren für Rauhe/Wieskötter eine Enttäuschung, so wäre eine Medaille jetzt auf dem Dorney Lake für den Vierer ein großer Erfolg. Schließlich verlief die bisherige Saison für den neu zusammengesetzten deutschen K4 über den Kilometer nicht ganz problemlos. Beim Weltcup im polnischen Posen gelang dem Quartett um Schlagmann Groß – der ebenso wie Wieskötter neu ins letztjährige Weltmeister-Boot gerückt war – noch Platz zwei hinter dem tschechischen Vierer, doch beim Weltcup in Duisburg mussten sich die Deutschen mit Rang sieben begnügen, und bei den Europameisterschaften in Zagreb verpassten sie mit Platz vier eine Medaille. „Natürlich waren wir danach enttäuscht, obwohl wir uns nicht extra auf die EM vorbereitet hatten, sondern praktisch aus dem Training heraus dort antragen. Aber eine Medaille war schon unser Ziel“, erinnert sich Tim Wieskötter, der damals noch ganz hinten im Heck hinter Max Hoff die Muskeln spielen ließ.

Während der letzten Wettkampfvorbereitungen auf London in Duisburg wurden die Sitze dann noch einmal gewechselt. „Wir waren vorher mit dem Rhythmus auf der Strecke noch nicht ganz zufrieden und glauben, dass wir jetzt die optimale Reihenfolge im Boot gefunden haben“, erklärt der Potsdamer, der mit seinem Vierer heute das Halbfinale und dort den Sprung in den Endlauf am Donnerstag erreichen will. „Im Finale wollen wir dann möglichst in die Medaillenränge fahren, und bei einem optimalen Rennen ist das meiner Meinung nach auch möglich“, erklärt Wieskötter. Die Konkurrenz ist allerdings stark. Neben Dänemark, Rumänien und Serbien – den Medaillengewinnern der diesjährigen EM – dürften auch Russland, Ungarn und Australien zu den am meisten zu beachtenden Gegnern des deutschen Quartetts gehören. „Die Olympischen Spiele haben außerdem ihre eigenen Gesetze“, glaubt Wieskötter.

Beim Medaillenkampf am Donnerstag weiß der daheim in Potsdam bei Clemens Paarmann trainierende 33-Jährige seine Eltern Monika und Hubert ebenso auf der Zuschauertribüne wie seine jüngere Schwester Jane. „Wenn sie dabei sind, motiviert mich das schon, das war vor vier Jahren in Peking auch so“, erklärt Tim Wieskötter. Seine Lebenspartnerin Nicole Reinhardt vom WSV Lampertheim, die ebenfalls zur internationalen Kanuspitze zählt, wird seine Rennen allerdings daheim in Potsdam vorm Fernseher verfolgen. Die 26-Jährige wurde in diesem Jahr vom gleichen Pech verfolgt wie ihr Freund 2011 – krankheitsbedingt verpasste die Olympiasiegerin von 2008 im Viererkajak und achtfache Weltmeisterin den Sprung ins Nationalteam. Sie sah sich in der vergangenen Woche auf Einladung eines Sponsors einige Tage lang olympische Wettkämpfe in London an, ist jetzt aber zurück in Potsdam, wo sie seit einigen Jahren lebt und trainiert. „Nicole geht es inzwischen wieder besser“, signalisiert Tim Wieskötter. Während sie noch nicht weiß, ob und wie es mit ihr im Kajak weitergehen wird, will ihr Freund Olympia 2016 in Rio de Janeiro derzeit nicht ganz ausschließen. „Zum Aufhören fühle ich mich noch zu gut“, sagt Wieskötter. „Ich will jetzt Jahr für Jahr entscheiden, ob ich weitermache.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })