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Homepage: „Zwei Kästen Bier pro Sitzung“

Der oppositionelle Abgeordnete Björn Ruberg (GAL) über die Krise des Studierendenparlamentes der Uni Potsdam

Stand:

Herr Ruberg, nach der erneuten Beschlussunfähigkeit des Studierendenparlamentes (StuPa) am vergangenen Dienstag wird indirekt die Opposition, der Sie für die Grün Alternative Liste (GAL) angehören, für die Eskalation verantwortlich gemacht.

Die Offene Linke Liste (OLL), die der AStA-Koalition angehört, und andere Listen haben in einer Sitzungspause den Raum verlassen und sind nach deren Ende nicht zurückgekommen. Nachdem sie auch nach einer erneuten Aufforderung nicht in den Raum kamen, hat das Präsidium die Sitzung abgebrochen, weil das Studierendenparlament nicht mehr beschlussfähig war. Der Boykott des Parlaments ist eine Eskalation, die die Koalition selbst ausgelöst hat.

Es war schon die zweite StuPa-Sitzung, in der die Opposition über eine Zweidrittelmehrheit verfügte, weil nur ein geringer Teil der Koalitions-Abgeordneten anwesend waren. Was ist da los?

Das sollten lieber die entsprechenden Listen selbst beantworten. Es ist allerdings schon eigenartig, dass die AStA-Koalition mit geringer Anwesenheit regelmäßig die Beschlussfähigkeit des Kontrollorgans des AStA gefährdet. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Es heißt, die Opposition hätte die Mehrheitsverhältnisse ausgenutzt, um das Protokoll in ihrem Sinne zu ändern.

Das ist absurd. Wir wollten das Protokoll nicht ändern, für uns war der Protokollentwurf des koalitionsdominierten Präsidiums akzeptabel. Wir wehrten uns dagegen, dass Tamás Blénessy von der OLL seine eigene Wahrheit zu der Antisemitismus-Anschuldigung vom vergangenen November ins Protokoll schreibt, denn sie entspricht nicht dem, was wir und andere gehört haben. Wir haben dann einen Kompromissvorschlag gemacht, das in Abrede gestellte Zitat zu löschen und in einem neutralen Satz zu notieren, was die einen gehört haben, und dass es sich dabei nach Ansicht der anderen um ein Missverständnis handelt. Wir haben überhaupt nicht versucht, das Protokoll gegen den Willen der Koalition zu verabschieden. Der Vorwurf ist haltlos.

Worum geht es eigentlich, immer noch um den angeblichen Antisemitismus-Vorwurf oder liegt das Problem ganz woanders?

In diesem Fall ging es um den möglichen Antisemitismusvorwurf. Wir haben das so verstanden, Tamás Blénessy hat klargestellt, dass er missverstanden wurde und uns derartiges keinesfalls unterstellt. Schön wäre es gewesen, wenn er dabei darauf verzichtet hätte, uns Wahnvorstellungen zu unterstellen. Nun möchte er allerdings alles aus den Protokollen gestrichen haben, was unserer Wahrnehmung entspricht. Das kann nicht sein.

Die Koalition wirft der Opposition vor, das Parlament zu blockieren. Wer blockiert nun wen?

Die Koalition hat 16 Sitze, die Opposition 11. Wie soll Blockade da möglich sein? Der Vorwurf ist blanker Unsinn.

War nicht eigentlich die GAL Wahlsieger und musste in Ermangelung eines Koalitionspartners in die Opposition?

Ja, die GAL wurde bei den letzten Wahlen stärkste Fraktion und holte mit einem Viertel aller Stimmen ihr bestes Ergebnis jemals. Die anderen Listen haben sich nach drei Monaten zu einer Koalition zusammengefunden, weil die Fortsetzung der alten Koalition von den Jusos abgelehnt wurde. Das ist deren Recht und wird von uns so akzeptiert. Aus unserer Sicht stellen wir aber fest, dass der neue AStA auf vielen Politikfeldern schlechte oder gar keine Arbeit liefert. Im Bereich der Hochschulpolitik passiert aus dem AStA rein gar nichts, obwohl die Uni vor einem großen Umbau steht. Ökologiepolitik? Fehlanzeige! Vernetzung innerhalb der Uni? War noch nie so gut wie im Vorgänger-AStA und fast noch nie so schlecht wie jetzt.

Durch die Beschlussunfähigkeit des Parlaments sind nun schon zahlreiche Anträge liegen geblieben. Geht die Blockadehaltung nicht langsam auf Kosten der Interessen der Studierenden?

Glücklicherweise ist bisher kein großer Schaden entstanden. Die auf Halde liegenden Anträge halten keine dringenden Abläufe auf. Falls aber dringende Anträge kommen, wird es schwierig.

Von außen betrachtet, entsteht der Eindruck eines inkompetenten Parlaments.

Es ist klar, dass die Qualität der Arbeit der verschiedenen Fraktionen sehr unterschiedlich ist. Wenn im OLL-Block während der Sitzung zwei Kästen Bier getrunken werden, haben die Sitzungen mehr von einem Fußballstadion als von einem Parlament. Das passiert leider regelmäßig. Es ist bedauerlich, dass man als Liste pauschal in Sippenhaft für das Fehlverhalten der anderen genommen wird. Nicht das ganze Parlament ist inkompetent. Welche Kompetenz im StuPa sitzt, darüber entscheiden alle Studierenden bei den jährlichen StuPa-Wahlen selbst.

Die Uni-Leitung dürfte sich über ein geschwächtes politisches Gremium der Studierenden freuen.

Ich bin kein Vertreter der These, dass die Leitung der Universität gegen die Studierenden arbeitet und deren Schwächen ausnutzt. Allerdings muss man in einigen Fällen eingreifen. Die Uni-Leitung ist froh über fähige Studierendenvertreter, die nicht nur protestieren, sondern Lösungen entwickeln können. Das ist hauptsächlich Aufgabe des AStAs, dafür ist er gewählt. Dass der aktuelle AStA in der Lage ist, Fehlentwicklungen in der Universität zu verhindern oder auch nur zu erkennen, muss ich persönlich leider bezweifeln. Das liegt aber an dessen derzeitiger personellen Zusammensetzung und nicht an den Schwierigkeiten zwischen den hochschulpolitischen Gruppierungen. Neben dem AStA gibt es noch die studentischen Vertreter in den Gremien der Universität. Über ihren Sitz im akademischen Senat ist die GAL dort vertreten und wir machen da gute Arbeit.

Wie kommt das Parlament nun weiter?

Da das Problem die fehlende Anwesenheit der Koalition ist, muss sich dort etwas tun. Im Übrigen hoffen wir auf eine andere Zusammensetzung des Studierendenparlaments nach den nächsten Wahlen im Sommer – mit einer stärkeren GAL natürlich.

Die AStA-Koalition hat nun eine offene Zusammenarbeit mit der Opposition für eine „konstruktive Politik“ angeboten. Ein ernst zu nehmendes Angebot für Sie?

Vor dem Hintergrund, dass das Angebot wenige Stunden nach den lächerlichen Vorwürfen kam, wir würden mit undemokratischen Methoden arbeiten, kann es nicht ganz ernst gemeint sein. Nach einer öffentlichen Entschuldigung stünde einem Gespräch aber nichts im Wege. Ich bin gespannt, ob es auch Selbstkritik der Koalition enthält. Das wäre dann in der Tat mal etwas Neues.

Fragen von Jan Kixmüller

Björn Ruberg studiert „IT-Systems Engineering“ und war im AStA 2006 Referent für Ökologie&Verkehr. Bei den Wahlen 2007 erzielte der GAL-Abgeordnete das beste Ergebnis aller Kandidaten.

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