Landeshauptstadt: Zwei teure Minuten
Gemeinsamer Rundgang von Polizei und Ordnungsamt durch die Innenstadt
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Gemeinsamer Rundgang von Polizei und Ordnungsamt durch die Innenstadt Von Dirk Becker Die Brandenburger Straße ist ein gutes Revier. Etwas viel Sonne für diesen späten Donnerstagnachmittag, doch hier, in der Fußgängerzone, lohnt es sich. Ein paar Schritte nur Richtung Luisenplatz und schon hat Kerstin Tuchscherer Arbeit. Eine junge Dame auf dem Fahrrad muss anhalten. Freundlich aber bestimmt bitte Kerstin Tuchscherer sie abzusteigen. Ein paar Minuten später schiebt die junge Frau, jetzt mit leicht verstimmtem Gesicht, ihr Fahrrad über die Straße. Kerstin Tuchscherer quittiert die soeben kassierten zehn Euro. Die Präsenz überraschte. Polizeiobermeisterin Kerstin Tuchscherer, vier ihrer Kollegen und drei Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung waren am gestrigen Nachmittag in der Innenstadt unterwegs. Die monatliche, wie es im Amtsdeutsch heißt „gemeinsame Begehung des Fachbereichs Ordnung und Sicherheit, Arbeitsgruppe Außendienst, mit der Polizeiwache Mitte“, stand auf dem Programm. Eine gute Stunde „Überwachung des ruhenden und fließenden Verkehrs“, dazu die Überprüfung der Einkaufsstraße, viele Passanten beobachteten mit neugierigen aber auch gleichzeitig unfreundlichen Blicken das Treiben. Anita Brion von der Stadtverwaltung scheint diese Blicke genauso wenig zu spüren wie Kerstin Tuchscherer. Seit 1991 ist Anita Brion auf den Straßen Potsdams unterwegs, um für Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Doch wenn ein Falschparker zur Kasse gebeten werden soll, dann wird ihr Bemühen um Sicherheit für viele zur Schikane. Dumme Sprüche und Beleidigungen gehören da schon zur Tagesordnung. Hier hat Anita Brion mittlerweile ein sehr dickes Fell und genug Menschenkenntnis, um in solchen Situationen entsprechend zu reagieren. Mehr stört die gelernte Kindergärtnerin, wenn junge Mütter auf sie zeigen und dabei zu ihren Kindern sagen: „Guck mal da, die Tante hat nichts Vernünftiges gelernt.“ Mancher kann einen Strafzettel scheinbar nur sehr schwer verkraften. Wer glaubt, dass Kerstin Tuchscherer durch ihre Uniform vor solchen Verbalattacken gefeit sei, der wird von ihr eines Besseren belehrt. „Blöde Kuh“ und andere Nettigkeiten dieser Art hört sie immer wieder. Doch die Gelassenheit, mit der sie davon spricht, zeigt, dass sie damit nicht zu treffen ist. An diesem Donnerstag jedoch bleibt in dieser Hinsicht alles ruhig. Zwar ist nicht jeder radelnde Delinquent mit der Geldbuße einverstanden, doch gezahlt werden muss, wenn auch mit knirschenden Zähnen. Eine Falschparkerin in der Gutenbergstraße dagegen zückt schon im Kommen ihre Geldbörse. Nur zwei Minuten habe sie hier gestanden, schon ist sie zehn Euro los. Nach spätestens einer halben Stunde wirkt die Brandenburger Straße wie verwandelt. Fahrräder werden geschoben, die Fußgänger sind keiner der berüchtigten Slalomfahrten mehr ausgesetzt. Kerstin Tuchscherer und Anita Brion wissen um dieses Problem. Zwar gibt es einen Polizisten, der nur in der Innenstadt unterwegs ist, gehen jeden Tag vier Mitarbeiterinnen des Ordnungsamtes durch die Stadt, doch leider können sie und ihre Kollegen nicht immer nur in der Brandenburger Straße stehen. Doch schon wieder muss Kerstin Tuchscherer ihres Amtes walten. Ein junger Radfahrer wird zur Kasse gebeten. Und während Kerstin Tuchscherer ihn über seine Ordnungswidrigkeit aufklärt, radeln drei weitere Herren, in gebührenden Abstand, mit leicht schadenfrohem Grinsen vorbei. Dieses Mal haben sie noch einmal Glück gehabt.
Dirk Becker
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