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Wohnen auf dem Wasser oder einfach die Natur erleben. Am alten Hafen in Potsdam-West stehen Hausboote, doch die Motorboote und -yachten in den Marinas sind in der Überzahl. Am Wochenende kocht das von Schiffsschrauben durchwühlte Wasser, für Paddler finden sich ruhigere Reviere in den Seitenarmen wie der Nuthe.

© Andreas Klaer/just

Von Juliane Wedemeyer: Zwischen den Ufern

Rundum Wasser: In den Hausbooten auf der Havel leben Menschen auf engstem Raum, um sich frei zu fühlen

Stand:

Um morgens zur Arbeit zu gehen, muss er über die Reeling klettern. Ans Ufer. Frieder K.* wohnt auf der Havel – in einem der drei Hausboote, die gegenüber des alten Elektrowerks am Ufer liegen. In zwei Minuten ist er an seinem Arbeitsplatz, dem Yachthafen auf Höhe der Kastanienallee. Der Westberliner kommt jeden Frühling und jeden Herbst hierher. Ungefähr einen Monat bleibt er, hilft die Yachten ins Wasser zu bringen oder wieder herauszuziehen. Und das obwohl er schon 75 Jahre alt ist. Aber vor neun Jahren hat er sich seinen Lebenstraum erfüllt. Und der war teuer: Er hat sich ein Flussboot gekauft. Auf dem ziehen er und seine Frau das ganze Jahr über durch die brandenburgischen Seen und Flüsse.

Zehn Meter ist es lang. Von außen ist es ganz weiß gestrichen. Sonnenkollektoren am Bug sorgen für den Strom. Bullaugen hat es keine. In den Fenstern hängen Gardinen. Auf dem Deck liegt ein Fußabtreter, daneben ein Paar schwarze Plastiksandalen. Frieder K. ist gerade zurück an Bord geklettert, er macht Mittagspause. Wer ihn besuchen will, muss ans Fenster klopfen. Eine Türklingel gibt es nicht.

Auch innen fehlt alles Überflüssige. In der Wohnzimmer stehen ein Zweisitzsofa, ein Tisch, drei Stühle, das Schränkchen mit dem Fernseher. Die Wände haben kleine Holztürchen, hinter denen die Tanks für das Trinkwasser und das Heizöl lagern. Sie bieten Raum für 2000 Liter. Ins Wohnzimmer ist auch die Küchenzeile eingebaut – die Front in Eiche rustikal. Der einzige Schmuck sind die Fotos der Enkelkinder, die rahmenlos am Küchenschrank kleben. Durch ihr Wohnzimmerfenster sehen die K.s den Wasserturm auf der Insel Hermannswerder. Ein enger Flur führt ins Schlafzimmer, in dem der Schrank und die beiden Betten gerade so Platz haben. Ab und zu schwankt der Boden mit den Havelwellen.

500 000 Deutsche Mark hat Frieder K. für das Boot gezahlt. Von Jugend an hat er darauf gespart. Aber ein Seegrundstück sei auch nicht billiger, sagt er. Er steht mitten im Wohnzimmer. Zwischen seinen Kopf und der Decke passt nur eine Hand. Er ist ein starker Mann mit breitem Brustkorb. „Sobald das Wasser 13 Grad hat, gehe ich schwimmen“, erklärt er. Und früher hat der gelernte Maurer auf Baustellen gearbeitet. Er wirkt trotzdem sanft. Das liegt vielleicht an seiner randlosen Brille und daran, dass er nur leise spricht. Überhaupt scheint er sehr zurückhaltend zu sein. Seinen richtigen Namen will er nicht in der Zeitung lesen.

Sein Nachbar, dessen Boot 30 Meter entfernt im Wasser liegt, ist kaum gesprächiger. Wie er heißt, möchte er nicht verraten. Auch er wohnt wegen der Arbeit dort. Darum hat er sich jetzt zu seinem Wohnboot ein Kajütboot gekauft, mit dem er im Sommer jeden Morgen zur Wakeboard-Schule „Magix“ ans gegenüberliegende Ufer tuckert. Der 28-Jährige ist dort Trainer. Im Winter arbeitet er im Ausland als Koch – mal in Australien, mal in der Schweiz oder in Österreich. Sein Boot, obwohl viel länger und höher, war billiger als das von Frieder K.. Für nur einen Euro haben er und sein Freund es dem Schifffahrtsamt in Berlin abgekauft. Jahrelang habe das ehemalige Hotelboot „Stechlin“ dort verlassen im Wasser gelegen. Das Amt wollte es loswerden.

In seiner Freizeit will er es nun sanieren. Seine Hände sind schwarz vom Öl und Baudreck. Nutzen kann er bislang nur einen Raum. Der Rest ist Baustelle. Sein Zimmer ist lang und geräumig. Sogar Partys könne man darin feiern, sagt er. Sein Hund Butch hat sich auf seinem Bett eingerollt, auf dem Tisch daneben steht ein leer gegessener Teller. In der Ecke lehnt sein Wakeboard. Auf der Terrasse vor dem Zimmer steht ein Grill. „Es ist ein bisschen wie Camping“, sagt er. „Aber mehr brauche ich nicht.“ Dafür lebe er in Freiheit. Um die Freiheit geht es auch Frieder K. „Wenn es mir irgendwo nicht mehr gefällt, ziehe ich einfach weiter“, sagt er.

*Name geändert

Juliane Wedemeyer

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