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Sport: Zwischen Euphorie und Respekt

Enrico Bolduan beschließt heute Abend mit den Handballern des 1. VfL Potsdam eine glänzende Saison

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Die Gelassenheit, die Enrico Bolduan im Vorfeld der womöglich wichtigsten Partie der Vereinsgeschichte des 1.VfL Potsdam demonstrierte, wirkte keinesfalls aufgesetzt. Lächelnd merkte er an, im Gegensatz zu Alexander Haase, seinem Trainer, vor dem heutigen abschließenden Heimspiel einer sensationell verlaufenden Spielzeit gegen den AMTV Hamburg (19 Uhr, Sporthalle Heinrich-Mann-Allee) ganz normal schlafen zu können. Im abendlichen Mannschaftstraining unter der Woche waren dann und wann auch einmal die individuellen Fähigkeiten des 24-Jährigen zu sehen, wegen derer er einst als vielversprechenster Nachwuchsspieler des VfL galt.

Längst ist dies Geschichte. Enrico Bolduan warf in 25 Regionalliga-Spielen der Saison 2005/2006 insgesamt 147 Tore – so viele wie kein anderer seiner Mitspieler. Das Wurfrepertoire des Linkshänders ist dabei noch eingeschränkt und reduziert sich im Wettkampf vorrangig auf Hüft- und Schlagwürfe. Die für einen Rückraumspieler vergleichsweise geringe Körpergröße von einsachtundachtzig bringt dies mit sich.

Bolduans Art, seinen Lieblingssport zu zelebrieren, ließ in der Vergangenheit auch gewisse Parallelen zu seinem Lebensgefühl zu. Leichtigkeit kennzeichnet seine Aktionen, die Bewegungsabläufe und der Armzug beim Abschluss sind bei ihm von spezieller Ästhetik. Kritiker im Verein monierten in der Vergangenheit ab und zu den Hang zur Selbstüberschätzung . „Das ist lange her. Gerade er hat in jüngerer Vergangenheit eine tolle Entwicklung genommen“, bescheinigt VfL-Vereinschef Holger Rupprecht und bezieht seine Wertung ausdrücklich auch auf die so genannte menschliche Komponente. Bolduan durchläuft bei Daimler-Chrysler in Ludwigsfelde eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Er macht dies mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und hängt nicht mehr der Illusion nach, vordergründig mit dem Handball sein Geld verdienen zu wollen.

Der unbedingte Wunsch, irgendwann einmal das Emblem der Handball-Bundesliga am Dress zu tragen, lebt in Bolduan dennoch fort. Anfang des Jahres erschien er einmal im Trikot vom SV Post Schwerin zum Training. Christian Pahl, VfL-Torhüter und enger Freund, schenkte ihm das gelbe Kleidungsstück zu Weihnachten 2004, als er ein mehrmonatiges Intermezzo bei den Mecklenburgern absolvierte. In der aktuellen Situation taugt das Stück Stoff sicher auch als Symbol für ein gemeinsames sportliches Ziel. Enrico Bolduan: „Ich begegne der großen Herausforderung mit einer Mischung aus Euphorie und Respekt. Innerlich bin ich aber sehr ruhig.“ Bisher hat sich in der Aufstiegsrunde alles bewährt. Die weiten Auswärtsfahrten wurden allesamt erst am Spieltag angetreten. Das Ritual des Spazierengehens wird auch heute gepflegt, wenn sich die Truppe drei Stunden vor Spielbeginn zum Kaffeetrinken trifft.

Und dann? Dann wird sich zumindest erst einmal zeigen, wie wenig die Halle an der Heinrich-Mann-Allee den gestiegenen Ansprüchen von Potsdams Handballern und ihren Anhängern noch genügt. Das Team selbst – diesen Eindruck teilt auch Bolduan – wird sich für die Möglichkeit der sportlichen Qualifikation zur 2. Bundesliga zerreißen.

Thomas Gantz

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