Landeshauptstadt: Zwischen Illusion und Realität
„Generalprobe“ für Stadtschloss-Kunstinstallation am 7. Mai/Demo mit Big Band und Bergsteigern
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Innenstadt – Eine Glasplatte im Ständer, den der Wind umzureißen droht. Auf dem Glas aufgeklebt ist ein farbiges Bild des Stadtschlosses ohne Fortunaportal, davor eine Pappscheibe mit einem 24 mal 36 Millimeter großen Guckloch auf einem Stativ. Das Ganze steht vor dem Fortunaportal. Fotografen und Neugierige drängen sich um das Guckloch: Das reale Fortunaportal und die Zeichnung auf der Glasplatte ergeben bei richtigem Blickwinkel ein Ganzes. Die Illusion ist perfekt: Das Stadtschloss steht scheinbar wieder am alten Platz.
Der Maler und Grafiker Wolfram Baumgardt hat sich diese „Kunstinstallation“, die vorgestern ihre Generalprobe hatte, ausgedacht. Am Montag, dem 7. Mai, will die Initiative „Mitteschön“ sie in Verbindung mit einem kleinen Event der Öffentlichkeit vorstellen. Barbara Kuster informiert, dass die Bürgerinitiative alle Potsdamer einlädt, an diesem Tag um 18 Uhr auf den Alten Markt zu kommen, um die Stadtschloss-Illusion selbst auszuprobieren. „Wir freuen uns, dass diesmal die Jugend mit dabei ist“, sagt die Kabarettisten, die sich für die „Mitteschön“ engagiert. „Die Jugend“ wird in Gestalt der Big Band des Helmholtz-Gymnasiums vor Ort sein. Außerdem sind Bergsteiger angekündigt, die sich – unter Wahrung des Denkmals – vom Fortunaportal abseilen wollen. Besucher können sich mit dem „Schloss“ hinter der Versatzscheibe fotografieren lassen und dürfen dafür einen Obolus für die Wiederherstellung der historischen Fassade spendieren.
Ob Illusion und Wirklichkeit einmal zur Deckung kommen, ist offen. Christian Wendland, der maßgeblich am Wiederaufbau des Fortunaportals mitgewirkt hat, äußert sich skeptisch. Er sagt, dass inzwischen auf den Beschluss zum Neubau eines Landtagsgebäudes in der Kubatur des Stadtschlosses andere Beschlüsse „draufgesattelt“ worden seien, die einen Wiederaufbau im Knobelsdorffschen Sinne in Frage stellen. Dass sich das Land von den Seitenflügeln des Fortunaportals verabschiedet habe, sei ebenfalls im Nachtrag entschieden worden. Für die Flügel muss nun der Stadtschloss-Förderverein allein aufkommen. Zum Investoren-Architekten-Verfahren, dessen Ergebnis im Herbst vorliegen soll, sagt Wendland wortspielerisch: „Das ist jetzt schon verfahren.“ Eine weltweite Ausschreibung, habe eben „Allerweltsarchitektur“ zur Folge. Der Architekt hätte es am liebsten gesehen, wenn das historische Fundament für den Neubau des Landtages verwendet worden wäre. Damit das historisch getreue Aussehen des Neubaus nicht Illusion bleibe, sei Bürgeraktivität gefragt. „Steter Tropfen höhlt den Stein“, sagt Wendland, der sich wie Kuster vom nächsten Montag eine „Einflussnahme in Richtung Knobelsdorff“ verspricht.
Günter Schenke
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