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Baustelle im Herzen der Stadt. In den nächsten Jahren soll der neue Landtag am Alten Markt gebaut werden. Wo und wie auf den Nachbarflächen gebaut werden darf, wird am Mittwoch öffentlich vorgestellt.

© Michael Urban/ddp

Von Wolfgang Nordhausen: Zwischen Kirche und Schloss

Historische Neubauten in der Potsdamer Innenstadt sorgen weiter für Diskussionen

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Stephan Gensch ist Chef in seinem Studentenklub. Wenn Not am Mann ist, spült er auch schon mal Gläser. Sein Klub, das „Pub à la Pub“, liegt an der Breiten Straße. Dort, wo Potsdam nicht barock, sondern verkehrslaut und weitläufig ist. In absehbarer Zeit wird sich die Nachbarschaft verändern. Das „Pub“ wird eingeklemmt zwischen den historisch bedeutsamsten Baustellen der Stadt.

Zum Standort der einst berühmten Potsdamer Garnisonkirche muss Gensch nur 80 Meter nach links gehen. Zum Platz des früheren Stadtschlosses geht es rund 200 Meter nach rechts. Beide Bauwerke sollen in den kommenden Jahren wiedererrichtet werden. Noch ist nicht viel zu sehen von den künftigen architektonischen Schwergewichten. Die Garnisonkirche ist nur ein einsames Tor. Vom Schloss steht immerhin schon das Fortunaportal. Kirche und Schloss entzweien die Stadt. Beide Gebäude waren beim letzten westalliierten Bomben-Großangriff am 14. April 1945 schwer beschädigt und zu DDR-Zeiten abgerissen worden. Seit Jahren wird um den Wiederaufbau gestritten: Während bei der Kirche vor allem um die künftige Funktion gerungen wird, steht beim Schloss die Frage im Mittelpunkt, wie viel moderne Architektur beim Wiederaufbau zulässig ist.

Dass am Schlossstandort Alter Markt überhaupt gebaut wird, hat vor schon zehn Jahren der damals frischgebackene Potsdamer Oberbürgermeister und heutige Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) verkündet: „ob mit historischer Fassade, ganz modern oder als intelligente Mischung“. An den Gedanken musste sich die Stadt erst gewöhnen. Schließlich verfügt sie bereits über 16 Schlösser und Herrenhäuser. Zudem galt es im finanzschwachen Brandenburg zu vermitteln, dass in der Hauptstadt ein weiteres Schloss gebaut werden soll.

Die CDU trat von Anfang an für einen möglichst originalgetreuen Wiederaufbau des Schlosses ein. Die Linke, traditionell die stärkste Fraktion im Potsdamer Stadtparlament, stemmte sich lange gegen die Neubaupläne. Dabei gab sie auch zu bedenken, dass eine neue und unbezahlbare Verkehrsgestaltung im Stadtzentrum nötig wäre.

Ein wenig versöhnt zeigte sich die Basis der früheren PDS mit den Wiederaufbau- Konzepten, nachdem die langjährige Vorwende-Oberbürgermeisterin Brunhilde Hanke eingeräumt hatte, dass solche Pläne schon Bestandteil der ersten städtischen Konzeption der SED nach dem Zweiten Weltkrieg waren. Allerdings sei sie gegen „Historizismus in der Stadtpolitik“, stellte Hanke klar. Zudem sollte ihrer Ansicht nach ein demokratisches Parlament nicht in ein Schloss ziehen.

Das sehen nämlich die Planungen des Landes vor: In das neu zu errichtende Gebäude auf dem Alten Markt soll der Landtag einziehen. Seit 2005 gibt es einen Parlamentsbeschluss für einen modernen Neubau in den Umrissen des Stadtschlosses. 80 Millionen Euro sollte das Gebäude nach damaligen Schätzungen kosten.

Der Software-Milliardär Hasso Plattner änderte mit einer 20-Millionen- Spende die Situation. Das Geld stiftete er unter der Bedingung, dass die historische Fassade des früheren Knobelsdorff- Schlosses wiedererstehen würde. Dieses Geschenk und steigende Baupreise erhöhen die Gesamtinvestition auf rund 120 Millionen Euro.

Eine historische Fassade ist vielen jedoch nicht genug. Unter anderem verlangt die Arbeitsgemeinschaft „Mitteschön“ auch eine historische Gestaltung des Innenhofes. Auf das Argument von Finanzminister Rainer Speer und Landtagspräsident Gunter Fritsch (beide SPD), dass ein solches Gebäude den Raumbedarf für ein Parlament nicht decken würde, verlangen Schlossanhänger die Auslagerung von Büros.

Finanziell noch völlig ungeklärt ist der Bau der Garnisonkirche. Nach neuen Schätzungen stiegen die Baukosten allein für den Turm von 65 Millionen auf rund 100 Millionen Euro. Seit anderthalb Jahrzehnten streiten die Akteure über die Nutzung der entstehenden baulichen Kopie. Der Ort ist historisch belastet durch einen Staatsakt unter Beteiligung Adolf Hitlers und des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg im März 1933, der eine Vermählung der NS-Bewegung mit dem alten Preußentum zelebrierte.

Studentenklub-Chef Gensch erwartet von der Kirche, dass sie ein Ausstellungs- und Versöhnungszentrum wird. „Mit uns wird das Gebäude allerdings nicht viel zu tun haben“, fügt er hinzu. Anders könnte das beim Landtagsschloss sein. „Vielleicht lassen sich mal ein paar Abgeordnete bei uns blicken“, sagt Gensch.

Der Bebauungsplan für die neue Mitte rund um den Alten Markt wird am Mittwoch öffentlich diskutiert. Die Baubeigeordnete Elke von Kuick-Frenz wird den Plan SAN-P 13 „Havelufer/Alte Fahrt“ um 19 Uhr im Alten Rathaus präsentieren.

Wolfgang Nordhausen

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