HEYES Woche: Zwischen Komasaufen und Schulversagen
Langsam geht es mir auf die Nerven, wenn ich täglich hören oder lesen muss, dass die Jugend von heute sich zwischen Killerspielen, Komasaufen und Schulversagen um Zukunft und Verstand bringt. Wir sehen in den Talkshows, wie immer die gleichen Köpfe über Jugendgewalt räsonieren und erhalten auf alles eine schnelle Antwort.
Stand:
Langsam geht es mir auf die Nerven, wenn ich täglich hören oder lesen muss, dass die Jugend von heute sich zwischen Killerspielen, Komasaufen und Schulversagen um Zukunft und Verstand bringt. Wir sehen in den Talkshows, wie immer die gleichen Köpfe über Jugendgewalt räsonieren und erhalten auf alles eine schnelle Antwort. Dazu ein selbstkritischer Rückblick: Killerspiele kannten wir Alten noch nicht – mangels der notwendigen Technologie. Wir konnten höchstens im Kintopp zusehen, wenn sich Western-Helden reihenweise umlegten. Im übrigen gab es nur zwei Fernsehprogramme – plus die deutsch-deutschen Nachbarsender am Zonenrand. Für den Programmwechsel musste man noch aufstehen und den Schalter betätigen. Schon damals war dies für manchen Fern-Seher die einzige sportive Bewegung. Als Mitte der 80er Jahre das Privatfernsehen eingeführt wurde, haben die Wortführer der freien Marktwirtschaft alle Folgen gern in Kauf genommen. Das große Geld winkte, die Augen waren verklebt in der Erwartung von Millionenerträgen aus Werbung und Schleichwerbung, die den Zuschauern das richtige Kaufinteresse eintrichterten. Ich erinnere mich nicht, dass jemand zu jener Zeit die Einführung von Ganztagsschulen gefordert hätte, um den vor der Glotze abgesetzten Nachwuchs möglichst lange von den Verblödungsmaschinen fernzuhalten. Dann kam eine Dekade später die nächste elektronische Revolution. In das weltweite Netz gelangt seither alles, was sich der Mensch ausdenken kann. Vom Nachschlagwerk bis zum Bombennachbau, von Kinderpornos bis zu Wikipedia, alles ist zu finden, am schönsten, wenn es Geld bringt. Schamgrenzen sind nicht erkennbar. Und schleichend, ohne spürbaren Anfang, entwickelte sich eine Welt, in der alles zur Ware wurde. Alles wurde der ökonomischen Verwertung untergeordnet. Die Wirtschaftskrise danken wir Managern, die offenbar gelehrig glaubten, die Wirtschaft und Finanzwelt seien ein großes Spielcasino, wo jeder mitzocken und sich seinen Anteil sichern kann. Ätsch – es hat nicht funktioniert. Manchmal reicht es ja in den Spiegel zu gucken, um zu wissen, was bei all dieser Rennerei auf der Strecke geblieben ist. Und die Kinder merken es zuerst.
Uwe-Karsten Heye schreibt an dieser Stelle regelmäßig für die PNN. Unser Autor war Redenschreiber bei Willy Brandt und Regierungssprecher von Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder. Heute lebt Heye mit seiner Familie in Babelsberg und arbeitet dort als Autor und Publizist.
Uwe-Karsten Heye
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: