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Landeshauptstadt: Zwischen Mutter und Vater

Wo Scheidungskinder lernen können, ihre Zukunftsängste zu besiegen

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Es waren einmal ein Mann und eine Frau, die hatten sich sehr lieb. Sie heirateten und bekamen ein Kind. Im Laufe der Jahre stritten sie sich immer häufiger, trennten sich. Ihr gemeinsames Kind erschrak darüber sehr und bekam Angst.

Den Anfang dieser Geschichte haben sich Sigrid Rogge und Stefan Müller ausgedacht. Aber ausgedacht ist nicht das richtige Wort. Denn die beiden Mitarbeiter der Caritas-Beratungsstelle für Erziehungs- und Familienfragen betreuen eine Gruppe für Scheidungskinder. Deshalb kennen sie knallharte Realitäten wie Angst, Scham, bedrückte und trotzig schweigende Kinder oder Aggressivität, weil die Kids sich von den Eltern im Stich gelassen fühlen.

Zurzeit kommen jeden Montag Mädchen und Jungen im Alter zwischen zehn und 13 Jahren in die Plantagenstraße 23 nach Babelsberg. Es sieht bunt und freundlich aus in den Räumen, wie in einem Kinderzimmer. Das ist auch der Ansatz, den die Psychologin und der Sozialpädagoge für richtig halten, um helfen zu können. Denn hier findet keine Gesprächsrunde statt, bei der die Betroffenen aufgefordert werden über ihre Probleme zu reden. „Bei den ersten Zusammenkünften braucht keiner zu erzählen, wie es Zuhause so geht“, sagt Sigrid Rogge: „Wir spielen, malen, sehen gemeinsam ein Video an.“ Natürlich passt dieser Film zum Thema: „Verliebt, verlobt, verheiratet, geschieden“. Erfasst werde die Situation dank lustiger Zeichentrickfiguren. Die besondere Atmosphäre im Gruppenraum – scheinbar weitab von Eltern und Schule – wissen die Kinder zu schätzen und kommen gern. „Es war nach dem Schnuppergespräch ihre eigene Entscheidung. Hier haben sie einen Schutzraum“, sagt Müller.

Warum kommen die Kinder so schlecht mit der neuen Situation im Elternhaus zurecht? „Weil die Trennung immer noch ein Tabuthema ist“, stellt Sigrid Rogge in ihrer pädagogischen Arbeit immer wieder fest. In der Gruppe weiß das Kind: Es ist mit seiner Scham nicht allein. Denn Trennung ist das Gefühl gescheitert zu sein.

Für Kinder ist es tröstend zu wissen, dass es ihnen nicht allein schlecht geht. Das sei der Anfang, Zukunftsängste beherrschen zu lernen. Hier dürfen sie traurig sein. Eineinhalb Stunden jeden Montag, insgesamt zwölf Mal. Stefan Müller betont: „Das ist Luxus in dieser schlimmen Zeit, in der die Eltern oft so stark mit ihren eigenen Trennungsproblemen beschäftigt sind, dass sie das Kind dabei vergessen.“ Oder an den Rand drängen und schlimmer noch: Es benutzen, um dem untreuen Partner Kontra zu geben. „Aber das Kind kann nichts dafür, es wünscht sich nichts sehnlicher, als Harmonie zwischen Mutter und Vater,“ appellieren die beiden Caritas-Mitarbeiter an die Vernunft der Erwachsenen. Ein Kind gebe lange nicht die Hoffnung auf, dass alles wieder gut wird. Das ist der schwierige Punkt, der sich im Laufe der Zeit herauskristallisiert: Das Schicksal anzunehmen und zu wissen, es wird nicht mehr so wie früher sein. Klarheit sei wichtig, meint Müller. Möglichst sollten die Eltern dem Kind gemeinsam mitteilen, wie die Regeln in der Zukunft aussehen. Wann das Kind zum Beispiel zum Vater darf, warum die Mutter einen anderen hat, dass das Geld jetzt knapp wird. Schwierige Verhaltensweisen werden in der Gruppe oft im Rollenspiel geklärt. Erstaunlich, welche Ideen die Kinder haben, um dazwischen zu gehen, wenn Vater und Mutter zu laut miteinander streiten.

Die Bereitschaft Hilfe anzunehmen steige, beobachtet Sigrid Rogge im Alltag. Lehrer und Kinderärzte reagierten oft sensibel und raten zur Therapie. jut

Interessenten für die nächste Trennungsgruppe können telefonisch bei der Caritas unter Tel.: (0331) 710298 Termine und Inhalte erfragen. Ab Januar 2006 ist das Monatsthema der Internetseelsorge „Meine Eltern trennen sich“ unter www.katholisch.internetseelsorge.de/cms zu finden.

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