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Landeshauptstadt: Zwischen Rue Karl Marx und Stern

4. Potsdamer Architekturgespräch mit Gästen aus Potsdams französischer Partnerstadt Bobigny

Stand:

Nauener Vorstadt – Passend gewählt hatte die Brandenburgische Architektenkammer Montagabend den Ort für ihr viertes Potsdamer Architekturgespräch: den Treffpunkt Freizeit am Neuen Garten. „Soziale Stadt“ lautete das Thema und den „Treffpunkt“ gäbe es heute wahrscheinlich nicht, wenn es nicht das Förderprogramm gleichen Namens gegeben hätte.

Das Besondere: Aus Potsdams Partnerstadt Bobigny waren Stadtentwicklungsdirektor Pascal Dayre und Stadtplaner Jean-Michael Daquin zugegen. Der Stadtumbau in Bobigny, einer 45 000-Einwohnerstadt bei Paris, hat nur oberflächlich betrachtet Ähnlichkeit mit der Stadtentwicklung in Potsdam. Der radikalere Weg in Bobigny: Abriss maroder Wohnbauten und Neuaufbau in menschlicheren Dimensionen. So entstehen an der mit „Wohntürmen“ bebauten Rue Karl Marx kleinere Häuser und begrünte Räume. Das Vorgehen in Potsdam: Modernisierung ohne Abriss. Rückkehr zur alten Stadt dort, Bewahrung und Ergänzung des Vorhandenen hier. Das Problem in beiden Städten: Die Verbindung der Peripherie mit der Innenstadt.

Grund des rigoroseren Vorgehens in Bobigny ist offenbar der nicht mehr sanierungsfähige Zustand vieler Bauten, die erst vor 15 Jahren entstanden sind und der Zwang der Stadt, für die vielen sozial bedürftigen Menschen solchen Wohnraum zu schaffen, der das Stadtsäckel nicht über Gebühr belastet.

Ein „radikaleres“ Vorgehen in den Plattenbaugebieten auch in Potsdam fordert Ronald Granz, stellvertretender Vorsitzender des Fördervereins Treffpunkt Freizeit. Nach seiner Meinung durchzieht Potsdam ein „tiefer Graben wie kaum in einer anderen deutschen Stadt“. Durch einen radikaleren Umbau von DDR-Neubaugebieten wie Stern und Schlaatz ließen sich nach seiner Meinung diese Gräben teilweise beseitigen. Derzeit seien die „Immigranten“ am Schlaatz nicht integriert und um das Bürgerhaus werde von den Bewohnern nicht angenommen. Nicht nur am Schlaatz, sondern auch in der Innenstadt sollte die „sozialistische Baukultur reduziert werden“, meinte Granz weiter.

Rainer Baatz von der Stadtkontor GmbH, die sich seit Ende der 90er Jahre verstärkt um die Verbesserung der sozialen Infrastruktur in den Neubaugebieten und in der Innenstadt bemüht, widerspricht der Ansicht von den „Gräben“ und dem sozialen „Nord-Süd-Gefälle“. Er verweist auf Geschaffenes wie den Kindertreff am Stern, den Jugendklub 18, die Sanierung von Stadtteilbibliotheken, das Masterplanverfahren für den Südosten, das Integrations- und Familienhaus am Schlaatz, die Elfleinhöfe und nicht zuletzt den Treffpunkt Freizeit. Letzterer werde im September vollständig saniert übergeben. Baubeigeordnete Elke von Kuick-Frenz musste den geplanten Verkauf des so genannten „D-Zuges“ an der Neuendorfer Straße am Stern verteidigen. „Warum nicht abreißen und etwas Neues hinbauen?“ lautete die Frage. Mit dem Verkaufserlös könne an anderer Stelle für Zuzügler neu gebaut werden, so die Antwort der Beigeordneten. Im Übrigen werde eine Veräußerung nur mit „Sozialbindungsklausel“ ermöglicht. Diese solle unter anderem sichern, dass die Häuserzeile nach dem Verkauf saniert werde.

Moderator Bernhard Wendel von der Brandenburgischen Architektenkammer hatte Mühe, den roten Faden der Podiumsdiskussion beizubehalten. Der Vergleich zwischen Bobigny und Potsdam erwies sich als ziemlich gewagter Spagat, der angesichts der verknappten Übersetzung der französischen Beiträge nicht ganz gelang. Doch klang an, dass die Bewahrung der Stadtgestalt nicht die einzige Möglichkeit ist. Laut Pascal Dayre müssten „neue städtische Formen erfunden“ werden. Und damit diese von den Bürgern akzeptiert würden, gebe es in Bobigny umfangreiche Bürgerbefragungen. „Davon kann sich Potsdam eine Scheibe abschneiden“, so eine Meinung aus dem Publikum.

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