Landeshauptstadt: Zwischenkinder mit Meinung
Wie aus Clara Anders die Koordinatorin der ersten Potsdamer Jungwählerkampagne wurde
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Termine, nur Termine. Wer Clara Anders in diesen Tagen sprechen will, muss ein wenig Rücksicht auf ihren Tagesplan nehmen. Denn seit die 20-Jährige im vergangenen September ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im Stadtjugendring begonnen hat, ist sie nun komplett in dessen Arbeit eingebunden – und inzwischen die Koordinatorin und das Gesicht hinter „Ich wähle, weil...“, der ersten Jungwählerkampagne in Potsdams Stadtgeschichte. Sie soll dafür sorgen, dass möglichst viele junge Potsdamer ihre Stimme bei der Kommunalwahl am 28. September abgeben: „Ich hatte den Auftrag ein Konzept zu schreiben, und plötzlich war ich Projektleiterin“, erzählt Clara – und klingt immer noch ein wenig erstaunt.
Denn die Aufgabe passt offenbar nicht so recht zu ihrem bisherigen Denken, sowieso nichts verändern zu können. „Eigentlich bin ich auch politikverdrossen“, sagt Clara. Doch wie bei ihr sei die Bereitschaft für gesellschaftliches Engagement bei vielen jungen Leuten in ihrem Alter (siehe auch pbi-Umfrage am Rande) gleichwohl da, jedoch würden die Strukturen hin zu Veränderungen oft undurchschaubar erscheinen: „Wir können aber etwas bewegen.“
Die Möglichkeiten und die Macht für junge Wähler auf städtischer Ebene: Genau dies soll die Kampagne demonstrieren und damit das Interesse der mehr als 20 000 Potsdamer zwischen 18 und 28 Jahren wecken. Die Aktion dauert ein gutes halbes Jahr: So sollen sich zunächst junge Potsdamer über die Internetseite des Projektes für eine Art Wettbewerb anmelden und das Motto „Ich wähle, weil “ bis zum 25. Mai mit einem Statement ergänzen. 30 der Teilnehmer werden für den zweiten Teil ausgelost – und in einem Photoatelier abgelichtet. Bis Anfang August können diese Kandidaten im Internet möglichst viele Stimmen für ihr Gesicht sammeln. Die fünf Ersten werden vor der Wahl etwa auf Postkarten zu sehen sein, der Sieger kommt auf die Titelseite des Events-Magazins. Zur Kampagne gehören auch eine Podiumsdiskussion mit Stadtpolitikern und ein kostenloses Open Air-Konzert im Filmpark am Freitag vor der Wahl. Ebenso ist eine Vorwahl bei Jugendlichen unter 18 Jahren geplant. Auf dem Herzstück der Aktion, der Webseite, soll zudem die Bedeutung der Wahl erklärt werden; ebenso kommen Potsdams Politiker zu Wort, was sie für junge Leute tun möchten.
„Ur-Potsdamerin“ Clara sieht da Handlungsbedarf: „Viele fühlen sich hier unerwünscht.“ Denn mehrere Treffpunkte seien in der Vergangenheit „schleichend“ weggefallen – von der Freundschaftsinsel wegen Mülls über den Bassinplatz wegen Ruhestörung bis hin nun zum Spartacus und dem S13 in der Innenstadt. „Potsdam darf nicht so verspießt werden“, findet Clara – denn sonst fürchtet sie, würden noch mehr junge Leute ihrer Generation lieber nach Berlin ziehen. „Es gibt hier nicht nur Kinder und Erwachsene – sondern auch Zwischenkinder“, sagt sie – und hofft stadtweit wieder auf mehr Häuser, in denen Jugendlichen nicht nur konsumieren und feiern, sondern auch eigene Projekte gestalten können.
Ob sie daran freilich mit der Kampagne etwas ändert – und ob sich überhaupt junge Leute in großem Stil beteiligen -, dies vermag Clara noch nicht abzuschätzen: „Ich hoffe, dass es klappt.“ Dafür will sie mit den anderen Unterstützern der Aktion einiges tun: Werbung in Jugendclubs und Schulen zum Beispiel. „Dazu kommen viele Sitzungen zur Koordination des Projekts, und, und, und ...“ Nebenbei muss sich die 20-Jährige auch um einen Studienplatz nach dem FSJ kümmern, „vielleicht Psychologie oder Kulturwissenschaft.“ Clara Anders wird auch in den nächsten Monaten einen vollen Terminkalender haben.
Im Internet:
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