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Kultur: ... und die Welt wird gut!

Was Rainer Ehrt unter den „Preußischen Tugenden 2012“ versteht, zeigt eine Satire-Ausstellung in der Landeszentrale für politische Bildung

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Wäre die Politik an sich nicht ständig zum Lachen, so müsste man sie womöglich ernst nehmen. Dies freilich wäre das Dümmste, was man ihr antun sollte. Dummerweise wird sie aber ernst genommen, nicht nur von ihresgleichen – und genau deshalb gehen die Leute auch in Ausstellungen, in der die Politik bestenfalls bierernst genommen wird.

Der Kleinmachnower Künstler Rainer Ehrt nimmt in diesem hochkomplexen Kontext eine Zwitterstellung ein. Nach seiner Überzeugung ist eine bessere, eine gerechte und glückliche Welt hienieden durchaus möglich. Zugleich sieht er, wie die neue preußische Politik samt ihrer bekannten Köpfe das einfach nicht hinbekommt. Sie stochert lieber im Vergangenen herum, bastelt an alten Fassaden, preist „altpreußische Tugenden“ an wie Sauerbier, obwohl die von den Engländern erfunden wurden. Er nimmt also die Politik tatsächlich ernst.

Politiker weniger, sie sind ja doch nur Trendys. Was er nun unter „Preußischen Tugenden 2012“ versteht, zeigt die diesjährige Satire-Ausstellung in der Landeszentrale für politische Bildung unter dem denkbaren Motto „Ernst! Lass’ den Spaß beiseite und komm hervor!“ In einer Kopf-Galerie zum Beispiel verpasst er den aktuellen Promis seltsame Tugenden: Platzeck erhält die Tapferkeit, Jauch Zurückhaltung, Stolpe aber Gottesfurcht, na, wer’s glaubt. Auch der rot-weiße Adler meldet sich zu Wort. Garnisonkirche und Stadtschloss in den Klauen, krächzt er „Wir wollen unser gutes altes Preußen wieder ham!“ Das erzürnt des Künstlers Herz, entzündet seinen Grimm, spitzt seine Feder.

Ins Schlosstheater hat er die Altvorderen allesamt verbannt, Könige, Architekten, Denker, Damen, bis in den zweiten Rang. Nicht nur Minerva sind auf dem Rollbild zu sehen, auch ein rotbunter Narr! Oder er setzt die gekrönten Hohenzollern einer nach dem anderen auf ein Pferd, das allerdings mit Menschenbeinen trabt. Metropolis auch auf dem Weinberg, wie „Der Keller von Sanssouci“ zeigt. Im Konferenzraum schaut ein Fahnenträger zu dem Friedrich hinüber, der mit der linken Hand soeben seinen Eid ablegt. Beide aus Holz. Mozart kann nur knapp zwischen zwei Reihen Marschierern durchwischen, Bach und Friedrich werden kein Paar. Eine preußische Bilderflut ergießt sich auf den Betrachter, scharfsinnig erdacht, mit Brillanz und Ingrimm gemacht. Wieder trommelt da einer die Breite Straße von heute herunter, auf den Häusern die Hüte und Helme aus Stahl. Dieselben Gebete.

Kein Zweifel, der Künstler will allen Ernstes etwas Neues, und fängt, frei nach Sokrates: Tugenden Ja – Preußen Nein!, mit den Ältesten an. Der Allrounder erfindet in seinem Kampf um eine bessere Welt gar eine neue, entwirft ein Manifest im Geiste von Thomas Münzer, darin alles Störende und Böse „geschlachtet“ wird – „und die Welt wird gut!“ So einfach ist das mit dem Glück! Er karikiert, persifliert, denunziert und verhohnepiepelt alles, was irgendwie zu Preußen zugehört, gestern und heute. Sein Grimm ist spürbar, er nimmt das alles sehr ernst. Lachen sollen die anderen! Das tun sie auch – um dann zur Tagesordnung überzugehen: wie jener „Brandenburgische Beamte“ hinter der Tür, wie das Vernissage-Publikum am vergangenen Dienstag. Schon erstaunlich, mit welchem Eifer dieser Künstler das Spiel des Jahres 2012 letztlich mitspielt! Sein Satire-Verständnis bedient die alten Bilder, den „Militarismus“, einen hundsleibigen verknitterten König, dickbusige Vetteln und preußische Soldaten, die sich wie Hasen abschlachten lassen. „Sieg oder Untergang“? Alle passen niemals unter einen Hut!

Anstatt die Toten von Gestern noch einmal zu ächten, sollte man sich lieber die vielen Discount-Preußen von heute vorknöpfen. Das knechtische Volk der Mitmacher und Nachäffer gibt besseren Stoff zur Satire als die Ganoven von gestern!

Heinrich-Mann-Allee 103, Haus 17, bis 28. September, Mo-Mi 9-18, Do/ Fr 9-15 Uhr

Gerold Paul

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