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Kultur: 30 Jahre Kabarett: Selten so gelacht

Eine Lange-Kabarett-Nacht gibt es in der Charlottenstraße jedes Jahr, ein 30-jähriges Jubiläum natürlich nur einmal. Na ja, zweimal, wenn man''s genauer nimmt, denn kraftvoll gefeiert wurde im „Obelisk“ am Freitag und Sonnabend, mit wechselnder Besetzung.

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Eine Lange-Kabarett-Nacht gibt es in der Charlottenstraße jedes Jahr, ein 30-jähriges Jubiläum natürlich nur einmal. Na ja, zweimal, wenn man''s genauer nimmt, denn kraftvoll gefeiert wurde im „Obelisk“ am Freitag und Sonnabend, mit wechselnder Besetzung. Waren am Freitag Namen wie Weismann, Staub und Ensikat für ein völlig zufriedenes Publikum zuständig, so sorgten einen Tag später nicht minder prominente Namen für einen phänomenologischen Dauer-Lach-Effekt. Ausverkauft, zweimal um die zweihundert Leute. Es gibt also zu Lachen in dieser trüben Zeit.

Nach einem exzellenten Frühstart um 18.30 Uhr mit der „Eisbär“-Stammbesetzung Gretel Schulze, Andreas Zieger und Helmut Fensch trug sich am Sonnabend der Baden Badener Gerd Weismann ins Geburtstagsgästebuch ein. Wer seinen Extrakt aus „Mach dich vom Acker, Mann“ anfangs noch für Comedy der gehobenen Klasse hielt, wurde bald eines Besseren belehrt. Wie sein Berliner Kollege später, fand er den besten Humor zuerst im wahren Leben, und da fühlte er sich den Politikern mit Dankbarkeit verpflichtet, nicht nur bei Edmund Stoibers wüstem Original-Gestammel um den Zusammenhang von Münchens Flughafen und Hauptbahnhof. Selten so gelacht. Regierungsfleiß und -dummheit verdanke der „Alt-68er“, auch „Badener Robin Hood“ genannt, ABM-mäßig geradezu sein Brot und Geld. Politiker sorgen ja dafür, dass er die Bezüge von Abgeordneten und Arbeitslosen auf einen Nenner rechnen kann, eigentlich „Kriminelle“, wenn man genau hinschaut, aber wer täte das schon. Für Gerhard Schröder und Klaus Zumwinkel hat er schon mal eine Doppelzelle mit schwedischen Gardinen reserviert. Alles nur Geldanschauung, meinte er, im Zungenbrechen Meister.

Nach der großen Pause mit einem Büffet der warmen, kalten und scharfen Art kam der Eulenspiegel-Autor Ernst Röhl zu Wort. Rhetorisch stets auf der Höhe, las und rezitierte er seine Texte so gut, dass es des Lachens im Saal kein Ende war, ideal für das Geburtstagsfest. Er nimmt das Leben mit Humor, und zeigt, wie wenig Worte es bedarf, um die schön konstruierten Lebensgebäude zum Einsturz zu bringen. Das geht beim Alltag los: „Eine Fahrkarte nach Riebnitz-Damgarten bitte! – Das heißt jetzt Ticket! – Was, wurde das jetzt umbenannt?" Wie sein Vorgänger, fand auch er in der Behördensprache die besten aller Witze.

Die Uralt-„Wühlmaus“ Martin Buchholz, als Dritter. Sein Humor entbehrt der Grimmigkeit nicht. Für ihn ist das Ossi-Wessi-Ding noch lange nicht gelaufen, beiden machte er eine lange Nase. Wie es um den realen Sozialismus bestellt war, zeigte sich ihm beim Kauf von Marx und Lenin im Ostteil der Stadt: Weil der „Umtausch“ nicht reichte, musste er Westgeld zuzahlen. Zwei Mädchen hinter ihm entsetzt: „Dafür gibt der sein Westgeld aus!!“ Er kann gute Sachen wie die böse Persiflage auf Lafontaine und Ypsilatni („Yps! machte der saarländische Wolf, nachdem er das Rotkäppchen gefressen hatte“) schreiben, er rezitiert vortrefflich.

Aus dem Leben gegriffen der Satz eines süddeutschen Bischofs „Christliche Kinder gehören nicht in die Krippe". Sogar an den Börsen kennt er sich aus: Längst habe sich der Dachs in seine Höhle verkrochen, um mit Dow Jones Unzucht zu treiben.

Auch dies war überwiegend glanzvoll, wie die Geburtstagsfete selbst. Gratulation auch von hier. Anregungen aufnehmen - weitermachen, bis zum 60. ist es ja noch weit! Gerold Paul

Gerold PaulD

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