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Kultur: 50 Jahre Festival – mit zwei Aussetzern

Ausstellung in der Ticket-Galerie am Nikolaisaal erinnert an die Geschichte der Park- und Musikfestspiele

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Ausstellung in der Ticket-Galerie am Nikolaisaal erinnert an die Geschichte der Park- und Musikfestspiele Die Wangen glühten förmlich vor Aufregung, als gestern die einstigen und jetzigen Organisatoren der Park- und späteren Musikfestspiele in ihren Erinnerungen schwelgten. Anlass war die Eröffnung der Ausstellung „50 Jahre Festspiele in Sanssouci“ in der Ticket Galerie am Nikolaisaal. Lächelnd betrachteten sie alte Fotos, Zeitungsausschnitte, Programmhefte und Poster, aber auch allerlei Dokumente aus Amtsstuben, die die Zeitgeschichte und die eigene Jugend wieder herauf beschworen. Und man sah auch, dass Musik jung erhält. Wenn die heute 74-jährige Margot Gust über die Zeit der Parkfestspiele erzählt, glaubt man fast, es wäre erst gestern gewesen. Sie war die „tragende Kraft“ der ersten Parkfestspiele, wirft Dr. Christina Siegfried, Kuratorin der Schau, lächelnd in die Runde. Schließlich durfte Margot Gust die Verpflegungsbeutel tragen. Aber nicht nur das. Sie betreute erst als Mitarbeiterin des Rates der Stadt die Parkfestspiele, später lenkte sie vom Rat des Bezirkes die Geschicke der Programmkommission mit. „In nur etwa zehn Wochen wurden die ersten Parkfestspiele aus dem Boden gestampft. Alle Abteilungen des Rates der Stadt – von der Abteilung Inneres bis zu Handel und Versorgung – wurden einbezogen. Es war das reinste Chaos.“ Dennoch konnte sich das Programm sehen lassen. Rund 12000 Besucher, von denen etwa 500 aus Westdeutschland kamen, zählten damals die Organisatoren. „Für eine Mark konnten sich die Zuschauer eine Kirsch- oder Apfelblüte aus Plaste ans Revers heften, und dafür drei Tage alle Programme anschauen.“ Vor allem Chöre und Volkskunstgruppen, Lesungen und auch Modenschauen, ja selbst Sportschauen, bestimmten das Treiben in der Bildergalerie und im Raffaelsaal, im Säulenhof oder an der Großen Fontäne. Natürlich steckte hinter allem ein klarer Parteiauftrag: Die Einheit der deutschen Kultur sollte gefestigt werden, die Volkskunst „Klingende Brücke zwischen Ost und West“ (Programmheft 1959) sein. Die westdeutschen Kulturgruppen wurden von den Potsdamer Organisatoren direkt oder über Verbände und Gewerkschaften eingeladen. Margot Gust erinnert sich, dass jeder Teilnehmer 12 DM als Gebühr bezahlen musste, dafür aber Kost und Logis sowie den Bustransfer frei hatte. Geschlafen wurde in der Pädagogischen Hochschule oder privat. „1959 durfte ich im Auftrag des Rates der Stadt sogar nach Westdeutschland fahren, um Künstler von Hamburg bis Stuttgart persönlich zu uns einzuladen.“ Auch dazu gibt es ein Dokument in der Schau. Dr. Christina Siegfried machte während ihrer Recherche zur Ausstellung ein bislang nicht beachtetes Phänomen aus. Die 50-jährige Festivalgeschichte hatte zwei Aussetzer: 1962 und 1966. Zum Phänomen 1962 habe sie bislang keine Zeitzeugen gefunden, die dafür eine Erklärung hätten. Dr. Siegfrieds Mutmaßung klingt indes plausibel. Schließlich schrieb man das Jahr 1 nach dem Mauerbau, und plötzlich war die Klingende Brücke unterbrochen. Nunmehr orientierte man sich auf die Bruderländer östlich der Neiße.Ein weiteres Loch gab es 1966, im Jahr der Arbeiterfestspiele. Zwei so große Ereignisse brachte man nicht unter einen Hut, zumal es ja auch noch die hochwertigen Pfingstkonzerte gab. Der Erfolg dieser Konzerte führte schließlich dazu, die Linie professioneller Musikereignisse auch bei den Parkfestspielen immer stärker zu verfolgen. Christina Siegfried zeigte sich erstaunt über den stetigen Zusammenhalt von Rat der Stadt, Rat des Bezirkes, Parkfestspiele und der Schlösserstiftung. Rudi Büttner, in den 60ern Leiter der Abt. Kultur der Stadt, machte als Stellvertretender OB die Festspiele zu seiner Chefsache. Wir hatten zwar im Grunde kein Geld, aber irgendwie kriegten wir immer alles hin. Und was wir dabei für tolle Leute kennen gelernt haben. Ich könnte heulen vor Freude, wenn ich daran zurück denke.“ Seit 1966 leitete Rosemarie Kricke das Büro der Parkfestspiele: „Mit Leidenschaft und Begeisterung“. Sie war froh bei der Organisation Hubertus Schlaebe von der Konzert- und Gastspieldirektion an der Seite zu haben, der sowohl für den Einkauf der Ost- als auch Westkünstler die Geschicke lenkte. „Auch Künstler aus dem Osten zu bekommen, war nicht so einfach, es mussten immer gleich ganze Tourneen für sie zusammen gestrickt werden.“ Anfang der 70er wurde nochmals über das Profil nachgedacht, der Aspekt der neuen Musik fand zunehmend durch das Zusammengehen mit dem Komponistenverband Beachtung. Ein weiterer Meilenstein, erinnert sich heute Rosemarie Kricke, sei auch das erste Orgelkonzert in einer Kirche gewesen: 1983 mit Matthias Eisenberg in der Friedenskirche. Zur Wende gab es dann einen personellen Schnitt, „doch an der Fortsetzung hat es nie Zweifel gegeben“, betonte Christina Siegfried. 1990 fanden die letzten Parkfestspiele statt, 1991 die ersten Musikfestspiele, nunmehr unter der Ägide von Dr. Andrea Palent. Der neue Name sollte auf den konzeptionell neuen Ansatz verweisen, auf eine stringente programmatische Planung, musikwissenschaftlich untersetzt – die Domäne von Dr. Siegfried. Vor allem die Internationalität nahm fortan neue Züge an. Das alles, was in 50 Jahren zusammengetragen wurde, musste Peter Rogge, der Austellungsgestalter, nun in Form bringen. „Nicht chronologisch, sondern wild durcheinander, mit bestimmten Reflexionspunkten“, so sein Ansatz. Es ist eine Schau zum Lesen, und wer sich dazu die Zeit nimmt, wird durchaus Spannendes entdecken. Sei es das kulturpolitische Dirigat im Hintergrund oder ein Plakat von John Heartfield, der 1959 die Parkfestspiele grafisch begleitete. Heidi Jäger

Heidi Jäger

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