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Kultur: Ab heute in der Comédie Soleil: Die Borgias

Unter den Häuptern des Vatikans gab es eine Päpstin Johanna möglicherweise, Alexander VI. jedoch ganz real.

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Unter den Häuptern des Vatikans gab es eine Päpstin Johanna möglicherweise, Alexander VI. jedoch ganz real. Der unheilige Lebenswandel dieses Teufelskerls (Pontifex seit 1492) reizte nicht nur den Zeitgenossen Luther zur Reformation auf, sondern beflügelte später auch den Dichter Klabund alias Alfred Henschke, einen Roman („Borgia“, 1928) darüber zu schreiben. Toller als dieser Alexander hat es kaum ein anderer auf dem Stuhle Petri getrieben. Er bereicherte sich auf Kirchenkosten immens, stärkte die Macht seiner Borgia-Sippe, veranstaltete sexuelle Schau-Spiele (Leonardo sah es mit Grausen) und betrieb- wer sonst noch – gar ein Bordell im Vatikan. Selbstverständlich war er verheiratet und hatte selbstgezeugten Nachwuchs. Seinen Widersacher, den Dominikanermönch Savonarola, wollte er mit einem Kardinalsamt gefügig machen, doch als das nicht half, ließ er ihn verbrennen. Comédie Soleil-Chef Michael Klemm reizte diese skurrile Mixtur aus Spielen, Macht und Intrigen, die neue Saison seines Privattheaterchens mit einer eigenen Bearbeitung des Klabund-Buches zu eröffnen. Er nennt sein Stück „Das Grauen der Borgia“. Vieles hat sich ja nach der Sommerpause im Theater in der Feuerbachstraße getan: Im Obergeschoss ist jetzt bei gemütlichem Ambiente Kommunikation mit eigenem Gastronomiebetrieb möglich, auch die Bühne samt Zuschauerraum bekommt ein neues Gesicht. Darüber hinaus war vorab zu hören, dass die Mussorgski-Produktion nächstes Jahr nach New York eingeladen ist. Sponsoren für den deutsch-amerikanischen Kulturaustausch sind sehr willkommen. Michael Klemm (Regie) will diesmal kein „Panorama-Theater“ machen, sondern direkt in die Skurrilität der Renaissance-Zeit „eintauchen“, mithin das „Gefühl für Geschichte“ schärfen. Besonders erstaunte ihn am Stoff, mit welcher Offenheit damals intrigiert, Treu und Glaube gebrochen wurden. Die Bearbeitung ist auf sechs Darsteller begrenzt, man wird viel Raumton verwenden, den man jetzt im Obergeschoss selbst produzieren kann. Klemm spielt Alexander, Nadja Winter Lucrezia, Jörg Zuch Cesare Borgia, den Mönch als Eiferer wird Detlef Brand geben. Neue Bühne, neues Stück, neues Glück – als gestandener Kulturfaktor Potsdams kann Comédie Soleil die Hoffnung gut gebrauchen. Gerold Paul Premiere heute in der Comédie Soleil, 20 Uhr, Feuerbachstraße 2

Gerold Paul

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