Kultur: Abendland trifft Morgenland Musikalische Melange
im Nikolaisaal
Stand:
Kaffeefahrten an entlegene Orte sind beliebt – wenn sie denn nicht mit Kaufverpflichtungen für überteuerte Rheumadecken und Ähnlichem verbunden sind. Eine Kaffeefahrt der ganz besonderen Art durfte erleben, wer am Freitag zum deutsch-türkischen Pera Ensemble in den Nikolaisaal kam, eine kunterbunte zwölfköpfige Truppe, die eine Fülle von fast ausnahmslos bearbeiteten Instrumentalstücken, Madrigalen, Arien und Duetten, vornehmlich aus der Feder von Claudio Monteverdi und Giulio Caccini, aufbot. Und so mischten sich okzidentale Klänge von Theorbe, Barockgitarre, Cembalo, Kontrabass und Violine mit denen der orientalischen Zither Kanun, der gestrichenen Kemençe, der Längsflöte Nei, von Tambourins mit und ohne Schellen sowie der Kurzhalslaute Ud , die Mehmet C. Yesilçay, musikalischer Chef des Ensembles, brillant zupft. Ein Crossover-Projekt vom Feinsten.
Das solistische Servicepersonal fürs stilvolle musikalische Kaffekränzchen, Countertenor Valer Sabadus und Sopranistin Francesca Lombardi-Mazzuli, saß bescheiden seitlich hinter den Musikern, ihnen optisch den Vorrang einräumend. Und immer auf dem Sprung, das Publikum mit ihrer Kehlenfertigkeit und Ausstrahlung zu begeistern. Die androgyne Stimme des Sängers schwang sich mühelos bis in Sopranhöhen, glitt gleichsam exotisch durch die Gefilde von Klage und Trauer. Seine instrumental geführte Stimme überzeugte mit kapriziösem Witz genauso wie mit der ganz verinnerlicht vorgetragenen Caccinischen Liebeswerbung „Amarilli, mia bella“ zur puren Theorbe-Begleitung. Vergnüglich und koloraturenflink gestaltet er zusammen mit der kraftvoll tönenden, die Leidenschaften liebenden Sopranistin Monteverdische Duette aus Opern und der Sammlung „Scherzi musicali“. Ein Stimmenfest sondergleichen!
Zur Einstimmung auf die früher im Abendland herrschende Türkenmanie, der einst auch Mozart mit seinem klaviersonatischen „Rondo alla turca“ oder Bach mit der „Kaffee-Kantate“ frönten, erklang der „Marche pour la cérémonie des Turcs“ vom Frühbarocker Jean-Baptiste Lully. Der fühlte sich als einer der ersten Komponisten dazu berufen, dem damaligen Zeitgeist zu huldigen. Ein unterhaltsamer Start, der zum „Ball der Eunuchen“ führte, der später von einem tyrannischen Eroberer nebst dem Raffinement erotischer Verführung kündete, um in der Nummernfolge irgendwann bei rasant perlenden Cembaloklängen zu landen.
Zwischendurch kamen einzelne ausschließlich osmanische Grüße aus der Kaffeeküche: „Türki Beray“ des polnischen Kirchenmusikers Wojciech Bobowski alias Ali Ufki, der nach seiner Kriegsgefangennahme zum gefragten Hofmusiker in Konstantinopel avanciert. Wohl auch deshalb, weil er die abendländischen mit den morgenländischen Klängen originell zu verbinden verstand.
Wie auch das Pera Ensemble, dessen Nummernfolge fast ausschließlich auf Bearbeitungen im Sinne der Volksmusik und traditionellen türkischen Musik basiert. Aus dieser Klangmelange entsteht ein mainstreamiger Crossover-Sound voller Lebendigkeit, Originalität, turbulenter Tanzrhythmen und leidenschaftlicher Innigkeit. Applaus nach jeder Nummer, sich steigernd in den finalen Bravojubel. Peter Buske
Peter Buske
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