Kultur: Aber die Füße?
Wieder guter Besuch bei „Dornenzeit“ – Musik und Texte zur Passionszeit in der Friedenskirche Sanssouci: Tieftraurige Cello- und Orgelwerke und sachliche Meditationen
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Mit dem Gedicht „Dornenzeit" von Pfarrer Markus Schütte begann am Sonnabend auch die zweite Passions-Musik gleichen Namens in der Friedenskirche Sanssouci. Wiederum läuteten machtvolle Glocken die einstündige Vesper ein, vor Sonnenuntergang, wie es sich gehört, doch diesmal mit anderer Besetzung.
Klaus Büstrin hatte nachdenkliche Texte von Josef Dirnbeck und Martin Gutl ausgewählt, Dietrich Schönherr gab anspruchsvolle Musik-Literatur dazu, Bach, Vivaldi und Bruckner, meist in Transkription für Violoncello, ein fast immer trefflicher Part für Matthias Holz an des Organisten Seite auf der Empore.
Guter Besuch auch diesmal – nicht schlecht, die Gekommenen als Gäste und als Gemeinde zu begrüßen, denn auch diese „Dornenzeit“ wollte ja auf die Passion und Auferstehung Christi 2006 vorbereiten. Aber vielleicht war sie im Ganzen noch gemessener geraten als die erste in der vorangegangenen Woche.
In einem fast extremen Adagio breitete die Woehl-Orgel eingangs Sebastian Bachs „Komm, süßer Tod“ mit all seiner Feierlichkeit aus, tieftraurig und tatsächlich merkwürdig „süß“. Im Ton sachlicher Chronisten ließ der Vorleser dann die Autoren (von denen man gern Näheres erfahren hätte) über die Passion Jesu erzählen: „Es wird berichtet“, dass er Kranke heilte, sich mit wenig ehrenhaften Leuten abgab und „dass er lebt“.
Die Darstellung von Vivaldis g-Moll-Sonate für Cello und Orgel war ein Versuch, die streng-pietätvolle Spannung des Raumes ein wenig zu mildern, aber auch hier waren die Tempi, besonders in Sarabande und Gigue, eher träge, voll von Schwermut und Trauer.
Die Lesung aus dem Johannes-Evangelium wurde fortgesetzt mit Szenen der rituellen Fußwaschung Jesu an seinen Jüngern und dem angekündigten Verrat des Judas Ischarioth, welcher der erbarmungswürdigste Mensch je auf Erden genannt werden muss. Ihn zu lieben ist Pflicht jedes Christen, denn er braucht ihre Liebe am meisten. Simon Petrus wehrte sich, als ihn sein Herr und Meister waschen wollte, aber Jesus sagte „Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil an mir“. Das ist nicht umsonst gesagt, auch bei den Buddhisten gilt der Spruch, die tägliche Fußwaschung erst ermögliche, dass der Stern über jedem weiterhin scheine, sei er sonst schon „rein“. Unmittelbar darauf bezog sich auch Klaus Büstrins nächster Text von Lothar Zenetti, wo in scharfem Tone das Prinzip „Wider meinen Nächsten“ angefochten wird: „dem anderen mal so richtig den Kopf waschen! – Aber die Füße?“ Hier ist das Wort beim Wort genommen.
Ganz im Sinne der heutigen Theologie war der letzte Text von Dirnbeck/Gutl. „Eingeklemmt zwischen Geburt und Tod“, sei Jesus ein Mensch geworden, voller Zweifel und Fragen nach dem Warum, sein künftiges Dasein ganz auf „Hoffnung“ setzend. Das stimmt nicht, denn alles tat er bewusst, damit nur „die Schrift erfüllet werde“. Zweifel an Göttlichem ist stets ein schlechter Weggefährte.
Zur musikalischen Meditation inmitten boten die Künstler Instrumental-Adaptionen zu dem sehr schönen Gebet aus Bruckners Te Deum (mit Tiefenwirkung) und zu Bachs Air aus der 2. Orchestersuite (eher Geschmackssache) an. Abgeschlossen wurde die von der Friedensgemeinde organisierte Vesper mit Bachs gigantischer Fantasie und Fuge c-Moll für Orgel solo, fast zu schwer für diesen Anlass.
Nach solchen Eindrücken eilte man heim, um endlich zu seiner eigenen „Fußwaschung“ zu kommen. Das Glöckchen St. Josef wies wohl den Weg.
Gerold Paul
Nächsten Sonnabend 17 Uhr wird die „Dornenzeit“ mit Juliane Sprengel, Sopran, Matthias Jacob, Orgel, Bertram Althausen, Lesungen, fortgesetzt.
Gerold Paul
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