Kultur: Abgespulter Zuckerguss
Die Berlin Comedian Harmonists ließen bei ihrem Konzert im Nikolaisaal Wünsche offen
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Sie gurren, gackern und pfeifen, sie zwitschern, singen und summen – kurz, sie imitieren den berühmten Gesangsstil der Comedian Harmonists. Bei ihrem Auftritt am Dienstagabend im gut besuchten Nikolaisaal riefen die Darbietungen der Berlin Comedian Harmonists viel Beifall hervor – und doch blieben Wünsche offen.
Im Eilschritt stürmen sechs schwarzbefrackte Herren auf die Bühne, einer setzt sich an den Flügel, die anderen postieren sich wie die Orgelpfeifen in einer Reihe.
Drei von ihnen gehörten bereits zu der 1997 von Regisseur Martin Woelffer zusammengestellten Kompanie, die mit dem Stück „Veronika, der Lenz ist da“ sensationellen Erfolg hatte. Darin erlebten die Comedian Harmonists, denen die Nazis einst den Garaus gemacht hatten, eine erfolgreiche Wiederauferstehung. Zur Legende verklärt ging das „Berliner Historical“ über 600 Mal im Theater am Kurfürstendamm über die Bühne. Aus der damaligen Gruppe entstanden die „Berlin Comedian Harmonists“, die seither durch Stadt und Land touren. Ihr Programm enthält Reminiszenzen an die Comedian Harmonists sowie Volks- und Weihnachtslieder und ist mit eigenen Geschichten aus Kindheit und Jugend angereichert.
Leider wird schon nach wenigen bekannten Hits deutlich, dass die Neuauflage nur wenig mit dem Original zu tun hat. Vom augenzwinkernden Charme, dem Witz und der Ironie, mit denen die Comedian Harmonists einst die Konzertsäle begeistert hatten, ist nur mehr ein bloßer Aufguss übrig. Auch die gesanglichen Fähigkeiten des Sextetts reichen nicht an die Vorbilder heran. Routiniert werden Hits wie „Veronika, der Lenz ist da“, „Ein kleiner grüner Kaktus“ oder „Ein Lied geht um die Welt“ abgespult – man merkt, dass die neuen Harmonists die Lieder schon sehr oft gesungen haben. Und man bemerkt leider auch, dass die Mitglieder keine Sänger sind, sondern überwiegend ausgebildete Schauspieler.
Allzu oft verschwimmen die Stimmen im Summen und Lallen des nicht immer tonreinen Chors. Die Solostellen strahlen wenig prägnant hervor. Mehr als die Musik und der oft so witzige, zweideutige Text zählen die Geste und der vokale Effekt. Die neuzeitlichen Nachahmer aus Berlin setzen auf bloßen Wiedererkennungswert, Originalität ist nicht gefragt. Ironiefrei kommt das Stück „Mein lieber Schatz, bist Du aus Spanien“ mit seinem frechen Text herüber und die Rumba „Amapola“ wird mit einem mehrstimmigen Zuckerguss aus Schnalzen, Gurren und Säuseln übergossen. Gelegenheit zum Schnattern, Gackern und Pfeifen bietet „Ich wollt, ich wär“ ein Huhn“ und bei „Ich hab für dich einen Blumentopf bestellt“ kommt das hohe Falsett reichlich zum Tragen.
In ähnlichem Stil geht es mit einem Potpourri aus bekannten Weihnachtsliedern weiter. Selbst vor „Stille Nacht, heilige Nacht“ gibt es keinen Halt und bei „Süßer die Glocken nicht klingen“ bimmeln die Glocken der Stimmen noch einmal zuckersüß, wenn auch nicht glockenrein.
Mitten drin gibt es als „Welturaufführung“ ein neues Berlin-Lied. Auf die von den Sängern selbst gestellte Frage, warum ausgerechnet in Potsdam, lautet ihre schmeichelhafte Antwort „weil die wahren Musikkenner ohnehin in Potsdam leben“. Oder ist der Grund für diese zweifelhafte Ehre das lauschige Ambiente fern der Metropole oder die Tatsache, dass Komponist Guido Masanetz, Jahrgang 1914, einst ein gefeierter Tonkünstler der DDR war? Wie auch immer, über den getragenen Bombast dieser Hymne wird sicher bald viel Gras wachsen.
Die persönlichste Note des Abends setzt das Sextett mit kleinen Geschichten. Der erste Bariton und einzige Berliner Olaf Drauschke berichtet vom größten Weihnachtsgeschenk in der Drei-Zimmer-Wohnung der sechsköpfigen Familie. Bassist Wolfgang Hoeltzl erzählt vom Sinn des Blockflötenunterrichts für die erste Liebe. Dass die Liebe des Pianisten Horst Maria Merz eigentlich Italien gilt, merkt man bei seinem selbst komponierten Lied, das er mit echt italienischem Flair vorträgt. Viel Heiterkeit ruft die Erzählung des ersten Tenors Holger Off über das gute, alte Stanniol-Lametta hervor. Auch Ralf Steinhagen, Tenor, und Philipp Seibert, Bariton, wissen besinnlich zu unterhalten.
Erst nach mehreren Zugaben endet das Konzert der Berlin Comedian Harmonists.
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