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Kultur: Abschied nach 47 Jahren

Pink Floyd und ihr letztes Studioalbum

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Es begann mit Weltraumdurchsagen, Morsegeräuschen und dadaistischen Zeilen über einen Krieg der Farben. Nun endet es mit schwebenden Keyboardteppichen, dem Rückkopplungsgesirre einer E-Gitarre und einer sanft-mürben Stimme. Dazwischen liegen 47 Jahre und eine Weltkarriere. 1967 kam „The Piper at the Gates of Dawn“ heraus, das Debütalbum von Pink Floyd mit dem windschief eiernden Eröffnungsstück „Astronomy Domine“. Und jetzt ist „The Endless River“ erschienen, die Platte, mit der die Band ihre Diskografie endgültig abschließen will. „Ich möchte die Platte nicht als Schwanengesang von Pink Floyd verstanden wissen“, hat Gilmour dem britischen Musikmagazin „Mojo“ gesagt. „Aber es ist der Abschluss, da bin ich mir ziemlich sicher.“

Gitarrist David Gilmour und Drummer Nick Mason sind die letzten beiden verbliebenen Mitglieder der Band, nachdem Keyboarder Rick Wright 2008 mit 65 Jahren an Krebs starb. Mit Bassist Roger Waters sind sie seit drei Jahrzehnten verfeindet. Er hatte die Gruppe zeitweilig diktatorisch beherrscht und 1985 verlassen. Mason vergleicht Waters, der inzwischen mit eigenen „Dark Side of the Moon“ und „The Wall“-Shows tourt, gerne mit Stalin.

„Endless River“, erst das 12. Studioalbum von Pink Floyd, ist Rick Wright gewidmet. Der Titel entstammt dem Song „High Hopes“, dem letzten Stück auf der bislang letzten Platte „The Devision Bell“ von 1994. Genau genommen entstammt auch die Musik dieser Platte. Zwanzig Stunden Session-Material waren damals übrig geblieben, aus dem Gilmour und Mason Teile entnommen, anders zusammengestellt und mit neu aufgenommenen Tonspuren verbunden haben.

Als die Band im September die Veröffentlichung ankündigte und das Cover präsentierte, wurde sie von einem Shitstorm überrascht. Die Illustration zeigt die Rückenansicht eines Mannes, der in einem Holzboot auf den Wolken der Sonne entgegenrudert. Das Netz höhnte: „grauenvoll“, „Kitsch“, „schlimme Esoterik-Verpackung“. Die Erwartungen waren hoch, schließlich sind einige der vom 2013 verstorbenen Designer Storm Thorgerson gestalteten Plattenhüllen zu Ikonen aufgestiegen – das fliegende Schwein über dem Battersea Kraftwerk auf „Animals“, der brennende Geschäftsmann auf „Wish You Were Here“ oder der Pyramidkristall auf „The Dark Side of the Moon“.

Der Begriff „Esoterik“ erscheint gar nicht so abwegig. Weite Teile der Instrumentalstücke wirken mit ihren wolkigen Keyboardakkorden, den sphärischen Geräuschen und Gilmours so geschmeidiger wie markanter Melodiegitarre wie ein langer, ruhiger Fluss. Die elektronischeren Passagen erinnern an die Ambient Music, die Brian Eno seit den späten siebziger Jahren produziert. „Retro“ sollte das Album klingen, hat Mason gesagt, und damit ist kein Sound gemeint, sondern eine Reminiszenz. Gilmour und Mason schaffen es, mit Zitaten und Anspielungen auf sämtliche Schaffensphasen der Band zu verweisen. Die psychedelische Frühphase mit Syd Barrett klingt im kosmischen Gebrabbel und den Hammondorgelfetzen des Auftaktstücks „Things Left Unsaid“ an. Die kalte Perfektion der mittleren Phase wird in einem Duell zwischen Saxofon und E-Gitarre beschworen, das an „Money“ anknüpft. Und die stärkere Orientierung zum Mainstream-Pop in der Spätphase unter der Ägide von Roger Waters ist im galoppierenden Gitarrenrhythmus von „Allons-Y (1)“ präsent, einem Stilmittel aus „Another Brick in the Wall“ mit dem Rebellionsaufruf: „Hey teacher leave them kids alone.“

„The nature of mankind is to work together“, sagt die gesampelte Stimme von Stephen Hawking in „Talkin’ Hawkin’“. Fast klingt es wie ein Versöhnungsangebot an Roger Waters. Christian Schröder

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