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Von Lore Bardens: Abschied vom Quartier

Galerie Sperl zeigt mit der 14. Ausstellung der „Kleinen Formate“ Flagge

Stand:

Die Eingangstür, auf der seit Jahren ein Werk von Sally Heywood unmissverständlich klar machte, dass man hier ein Universum der Kunst betrat, war vom neuen Vermieter schon vorzeitig grau überstrichen. Stammbesucher der Galerie Sperl mussten zweimal nachsehen, ob sie auch richtig sind, denn so nüchtern grau waren sie dort noch nie begrüßt worden. Klarer kann ein Zeichen nicht sein. Die Vermieter legen offensichtlich Wert darauf, dass die Mittelstraße schnell kunstfrei wird. Wahrscheinlich wussten sie noch nie so genau, was sie von diesen Leuten halten sollen, die Türen bemalen und Leinwände, die manchmal sogar Steine behauen oder Metall – und die Tabus brechen. Es passt nicht mehr in die touristisch aufgepeppte Straße des Holländischen Viertels, das – wie die gesamte Stadt – bisher stark von der Aktivität der Galerie profitierte.

1988 schon wussten Rainer und Ursula Sperl, dass sie genau da ihre Galerie eröffnen würden „Es war ein Traum“, sagt Uschi Sperl. Schon vor der Zeit haben sie gespürt, dass ein frischer Wind weht und haben kräftig mitgeblasen. Jetzt blasen sie zur „Halbzeit“, wie sie positiv die durch zu hohe Mietforderungen erzwungene Wende in ihrem Galerieleben nennen. Ein Feuerwerk der Kunst ist die 14. Ausstellung der „Kleinen Formate“: Werke von 45 Künstlern, die seit Jahren mit der Galerie verbunden sind. Erstmals sieht man drei- und vierreihige Hängung übereinander. Und das Zwischengeschoß vereint einträchtig Bildhauerarbeiten, die meisten aus Metall. Rainer Sperl konnte schon immer gut das eigentlich Unvereinbare miteinander verbinden. Das sieht man auch dieser Ausstellung an. Die Schiffe von Stephan Velten schaukeln verwegen auf ihrem Meer dem Horizont entgegen, dem hoffentlich klaren.

Düster und abschiedsstimmig dagegen die Gesichter von Hans Hendrik Grimmling – übrigens war dessen Ausstellung anlässlich seines 60. Geburtstages im Jahr 2007 einer der Höhepunkte im bisherigen Sperlschen Galeriedasein. Wie auch die Aktionen zu Beginn der Galerie, die Eröffnung mit einer Ausstellung holländischer Künstler – ein Muss im Holländischen Viertel. Sperl war auch einer der Mitinitiatoren von „Ein Stein für Potsdam“, und das Ehepaar wird auch weiterhin die Graphik-Messe Potsdam durchführen. Zu nennen wären zahlreiche Ausstellungen, die den Horizont der Potsdamer erweitert haben, vor kurzem erst die von Gritta und Moritz Götze. Das Erlebnis Malte Brekenfeld, Dieter Zimmermann und viele andere zu entdecken, verdankt Potsdam ebenso den Sperls.

So ist es eine „Halbzeit“ im Galeristenleben, die eine Zäsur darstellt, aber mitnichten ein Ende. Auch wenn die dunklen Schatten auf Matthias Körners Bildern von vielen Kämpfen zeugen, Irene Dietrichs „Groteske Maskeraden“ nachgerade einen Kommentar auf die Veränderung der Stadt abzugeben scheinen, das Galeristenpaar gibt nicht auf. „Ich habe drei Tage geweint“, sagt Ursula Sperl mit einer Träne im Knopfloch, aber jetzt lacht sie wieder und freut sich darauf, dass sie „noch mal durchstarten kann“. Auch für Rainer Sperl war es „eine schöne Zeit“, aber die ist nun abgeschlossen. Beide hoffen, dass sie Mitte nächsten Jahres in die Hebbelstraße 1 ziehen können: „Barock war gestern, Gründerzeit ist heute“, sagt Rainer Sperl frohgemut.

Noch einmal drängten sich Künstler und Kunstliebhaber am Samstagabend zur Vernissage in der Galerie, dass man fast nicht mehr atmen konnte. Ziemlich bitter klangen die ironischen Worte des Redners Ralf Schleiff, der sich sehr mit der Aktie und dem Kunstunverständnis der „Geldinhaber“ auseinandersetzte. Aber vielleicht geht es wirklich nicht um einen Kulturkampf, sondern um einen Neuanfang, der in den in Aussicht gestellten 160 Quadratmetern neue Möglichkeiten bietet. Wie sagt Ursula Sperl so schön: „Nichts ist für die Ewigkeit“. Und sicher auch nicht der aktuelle Abschied, dem ein Neuanfang innewohnte. Über diesen Worten schwangen die Engel von Astrid Germo ihre freigebigen Hände: Sie schützen die Liebenden, die Fische, und sie vergeben Goldregen – wenn das keine Zeichen der Hoffnung sind!

Sperl Galerie, Mittelstraße 30 im Holländischen Viertel, geöffnet Mi-So 14-18 Uhr, bis 21. Dezember

Lore Bardens

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