Kultur: Abwechslung durch Kontraste Orgelsommer-Finale
mit Martina Kürschner
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Wenn die Abende wieder kühler werden und sich die Dämmerung zeitiger als bisher herniedersenkt, dann sind das sicht- und fühlbare Zeichen für‘s Finale des Orgelsommers in Potsdam. Und wieder einmal hatte eine Frau dabei das letzte Wort: Martina Kürschner. Sie bestritt bereits 2009 das Abschlusskonzert des verdienstvollen Zyklus’, damals an der Woehl-Orgel der Friedenskirche. Nun erwählte sie sich für den traditionellen Mittwoch-Auftritt die Schuke-Orgel der Erlöserkirche, für deren barockorientierte Disposition und beeindruckende Klangschönheit sie sich ein spezielles Programm zusammenstellte. Hauptsächlich mit Musik des 17. und 18. Jahrhunderts, ergänzt um Romantisches von Felix Mendelssohn Bartholdy und Improvisatorisches.
Er brauche kein Theater, denn die Kirche sei sein Theater, wissen Zeitgenossen über den Lübecker Organisten Dietrich Buxtehude zu berichten. Glänzen-wollen ist seine Maxime. Die schlägt sich natürlich in seinen fantasievoll schweifenden, wie improvisatorisch wirkenden Orgelstücken nieder. Sie pendeln zwischen rezitativischen und fugierten Abschnitten, sind effektvoll gesetzt. Was man sehr treffend als Stylus phantasticus bezeichnet, der sich auch im Präludium C-Dur und in der Toccata d-Moll widerfindet, die Martina Kürschner zu Beginn spielt. Kaleidoskopartig wechselt, was frisch und sehr diesseitig angestimmt wird. Sie zieht klarzeichnende Register, setzt auf strahlenden Glanz. Im Gegensatz dazu steht Buxtehudes Choralbearbeitung „Nun bitten wir den Heiligen Geist“: gedämpft und still singt er sich sanftweich aus.
Ihren staunen machenden Klangsinn, ihr Gespür für Kontrastdramaturgie, für Formenstrenge und Ausgewogenheit zwischen Pedal und Manualen stellt sie auch in zwei Beiträgen aus Bach’scher Feder eindrücklich unter Beweis. In den c-Moll-Fantasien BWV 562 und 537 mit ihren eher streng und introvertiert tönenden Klangwelten entdeckt sie einen nachdenklichen und zurückhaltenden Tonsetzer. Abgeklärte Ruhe und die Wahl weicher Zungenstimmen zeichnet ihre Lesart des Orgelchorals „Liebster Jesu, wir sind hier“ BWV 731 aus. Vom Wechselspiel auf zwei Manualen lebt das Voluntary G-Dur von Henry Purcell, ein freies Instrumentalstück von nahezu zerbrechlicher Wirkung. Die auch von den zierlichen, schwebend leicht ertönenden Toccaten settima und seconda des Girolamo Frescobaldi ausgehen. Für das einleitende Grave von Mendelssohns c-Moll-Sonate op. 65/2 findet sie einen leicht verhangenen Tonfall, für das nachfolgende Adagio wählt sie ziemlich überraschende Soloregister zwischen schnarrend und grell, um dann das Allegro glanzvoll im vollen Orgelwerk aufrauschen zu lassen. Für’s festliche Finale sorgt eine hell klingende und tempozügig gespielte Fuge.
Von ihrem Ruf, eine ausgezeichnete Improvisatorin zu sein, kündet Martina Kürschner in der stegreiflichen, textnahen Deutung von Verszeilen aus dem Psalm 104 „Lobe den Herrn, meine Seele“. Im ersten Teil verwandelt sie vielgestaltige Lobpreisungen per Clusterbildungen, scharfer Prinzipale und greller Diskanttöne in zerrissene Empfindungen, um später mit geheimnisvoll-ätherischen Klängen aufzuwarten, die schließlich in aufgeregte „Halleluja“-Betrachtungen münden. Viel Beifall nebst der Vorfreude auf die Offerten des Orgelsommers im nächsten Jahr. Peter Buske
Peter Buske
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