Kultur: Ach ja, diese Sommerfrische
Goldonis Komödie im Schlosstheater
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Zum Glück gibt es Giacinta und Brigida, besser gesagt Elzemarieke de Vos und Katrin Heller. Zwei Lichtblicke in einer Inszenierung, die einen nicht selten so weit bringt, dass man sich den letzten, so unsäglichen und zum Glück längst vergangenen Winter zurückwünscht.
„Trilogie der Sommerfrische“ heißt die Komödie des Italieners Carlo Goldoni aus dem Jahr 1761, die am Donnerstag im Schlosstheater im Neuen Palais Premiere hatte. Ein lustvolles Durcheinander und Intrigenspiel gutbürgerlicher Familien, die dem Luxus frönen und dafür kräftig Schulden machen. Es geht um arrangierte Ehen, weil das Geld lockt, um Liebe, die sich nicht erfüllen kann, um die ewige Gier nach den Moneten, Gebalze und Gebuhle, Sticheleien und Stänkereien, falsche Freundlichkeiten und um das Immer-so-tun-als-ob. Goldoni hat hier zahlreiche Figuren versammelt; ein herrlicher Querschnitt durch die verlogene und schmarotzende Gesellschaft; ein Stück von zeitlosem Gehalt. Aber am Ende der Potsdamer Inszenierung sitzt man entgeistert auf seinem Platz und staunt, mit wie viel Einfallslosigkeit doch mehr als zweieinhalb Stunden gefüllt werden können.
Dabei geht es kraftvoll los. Wolfgang Vogler als Leonardo und Jon-Kaare Koppe als dessen Diener Paolo lassen mächtig Dampf ab, als es um die Vorbereitungen zur alljährlichen Reise aufs Land, in die „Sommerfrische“, geht. Da fliegen die Worte, da klatschen die Watschen und dazwischen brüllt eine herrlich furchterregende Friederike Walke als Leonardos Schwester Vittoria nach ihrem neuen Kleid. Was für eine teuflisch bockige Göre! Was für ein Affentheater!
Jenny Schall hat diese Figuren in mal mehr mal weniger grelle Farben gekleidet. Die Damen im Barbie-Look, die feinen Herren im feinen Stoff mit Kapuzenpulli-Look. Eine tyrannische Rasselbande, die wohl nicht erwachsen werden will. Selbst Diener Paolo, der immer wieder zur Mäßigung mahnt, sieht in seiner Tracht aus wie in eine zu klein geratene Schulbubenuniform gesteckt. Diese Kostüme machen Freude, weil sie mit kleinen Details Charaktere zeichnen. Auch Nicolaus-Johannes Heyses Bühne ist gelungen. Ein Bollwerk des falschen Prunks und der so übertriebenen wie so durchschaubaren Protzigkeit. Hier macht der Pöbel auf Adel und unterscheidet sich in seiner Einfallslosigkeit nur durch die Farbe der Seidentapete. Selbst das „teure“ Parkett ist nur billiger Stoff. Doch Regisseur Matthias Brenner weiß das alles nicht zu nutzen.
Er lässt die Schauspieler, die sich redlich, doch meist vergeblich mühen, durch diese „Sommerfrische“ stolpern wie orientierungslos. Da wird geschrieen und getobt, leidenschaftlich in der Nase gebohrt, die Beine gespreizt, Vögeleien angedeutet und Briefe im Schlüpfer versteckt. Das ist nicht lustig, nicht unterhaltsam, nicht einfallsreich. All das Zwischenmenschliche in dieser Trilogie bleibt, bis auf wenige Ausnahmen, seltsam blass. Wäre da nicht Elzemarieke de Vos, die die hochnäsige Giacinta, nachdem sie von der geplanten Hochzeit mit Leonardo erfährt, so verletzlich, so ängstlich und so ergeben werden lässt, dass man sie in den Arm nehmen möchte. Oder Katrin Hellers Dienerin Brigida, eine so herzliche, enttäuschte, trotzdem aber immer noch hoffende Frau voll Lebensfreude. Da werden Menschen erlebbar! Doch sind das nur Lichtblicke.
Am Anfang des dritten Aktes reist Leonardo eine Rechnung seiner Gläubiger in Fetzen. „Rechnung zerrissen, gutes Gewissen“, kräht da fröhlich der ständig popelnde Cecco (Friedemann Eckert), ein Gehilfe des Dieners Paolo. In diesem Sinne: Inszenierung verrissen, und das mit gutem Gewissen! Dirk Becker
Nächste Vorstellung am Mittwoch, 12. Mai, 19.30 Uhr im Schlosstheater im Neuen Palais. Kartenreservierung unter Tel.: (0331) 98 11 8
Dirk Becker
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