Kultur: Affektreiche Höhenflüge
Caldara-Oratorium als szenische Version in der Friedenskirche Sanssouci
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Caldara-Oratorium als szenische Version in der Friedenskirche Sanssouci Von Peter Buske Eine Idee sei kräftig, sagt Goethe in seinen „Maximen und Reflexionen“. Weiterhin sei sie „tüchtig, in sich abgeschlossen, damit sie den göttlichen Auftrag, produktiv zu sein, erfülle.“ Wie wahr. Und Lessing behauptet gar: „Gute Einfälle sind Geschenke des Glücks.“ Was aber, wenn sie fehlen? Dann kommt Langeweile auf. Jüngst zu erleben bei der szenischen Realisierung des Oratoriums „La conversione di Clodoveo, re di Francia“ von Antonio Caldara (um 1670-1736) durch das deutsch-kanadische Gemeinschaftsunternehmen von „I Confidenti“ mit „Les Voix Baroques“ in der Friedenskirche. Wieder einmal ist unter der Orgelempore ein Spielpodest aufgebaut, auf dass Polyhymnia, Göttin des ernsten Gesanges, eine passende Verkündigungsstätte fände – für die Bekehrung Chlodwigs, König der Franken. Nicht ohne Grund ist das handlungsarme, dafür betrachtungsreiche Geschehen in die Form des Oratoriums gegossen. Ihm eine szenische Aufbereitung angedeihen zu lassen, ist genauso fatal wie eine Oper konzertant aufzuführen. Um das Vorhaben zu begründen, fühlt sich Bernhard Morbach (RBB-Spezialist für Alte Musik) vor der Aufführung bemüßigt, dem Auditorium einen langen und langatmigen Vortrag über all das zu halten, was sich auch im Programmheft zu Werk, Komponist und Hintergründen nachlesen lässt. Das Caldara-Opus sei ein geistliches Drama, ergo kann man es auch entsprechend aufbrezeln. Wenn es doch nur so gewesen wäre Die stilisierte Szene präsentiert sich im osmanischen Ambiente, in dem die Protagonisten entweder sitzen oder stehen, von links nach rechts und umgekehrt oder diagonal schreiten. Nach Regie-Willen (Guillaume Bernardi) heben sie einen Arm, dann den anderen, zeigen stilisierte Gesten vor, posieren Was das mit Theaterspielen zu tun hat? Nichts. Was sieht, ist weitgehend pures Stehtheater, ein kostümiertes Konzert. Diese barockstilisierten Kostüme sind farbenbunt, von intensivem optischen Reiz und geometrischen Figuren nachempfunden (Ausstattung: Christine Jaschinsky). Ein Hocker ersetzt den Thron, auf dem sitzend der heidnische Franken-Chef Chlodwig zunächst die Huldigungen von Hauptmann Uberto entgegen nimmt, dann von seinem nächsten Kriegszug kündet. Die hinzutretende Gattin Chlothilde sorgt sich in diversen Arien um königliches Leben und Seelenerlösung, beschwört im Duett: „Denke daran: der Gott der Schlacht ist derjenige, den ich anbete.“ Dem Erzbischof San Remigio klagt sie ihr Leid, während jener sie zu trösten versucht. Einer Falschmeldung über den Tod des Königs folgt das Dementi: Er lebt. Und nur deshalb, weil er sich an die Worte der Gattin erinnert hat. Nun will er zum Christentum übertreten, was oratoriengemäß eine Weile dauert. Auf der Bühne und in der Musik auch. Die lebt von den vorzüglichsten Einfällen Caldaras, männliche Welt – mit weiblicher Weitsicht zu verbinden. Gelungen, weil musikalisch gefühlvoll und tiefgründig, beschreibt er die Anfänge der Christianisierung. Dieser Beitrag setzt dem diesjährigen Kulturland-Thema „Der Himmel auf Erden – 1000 Jahre Christentum in Brandenburg“ einen prägnanten Akzent. An Affekten hat das Oratorium keinen Mangel. Sie werden von den Sängern und den wenigen Musikern unter der gestenreich-aktivierenden Leitung von Alexander Weimann (Cembalo, Positiv) klangraffiniert und stilkundig ausgedeutet. Unter anderem von Suzie LeBlanc (San Remigio), deren klarer, instrumental geführter, gleichsam „weißer“ Sopran makellos intoniert und mühelos in die Höhe geführt ist. Ihren gesungenen Glaubensbekenntnissen hört man interessiert zu, zumal der italienische Text übersetzt und in der Übertitelung mitzulesen ist. Nicht nur beim Trösten der Gattin zeigt sich König Chlodwig alias Altistin Allyson McHardy von seiner/ihrer glanzvollen Stimmseite. Selbst im Leisen verfügt sie über eine enorme gestalterische Intensität und Sinnlichkeit, der man sich willig ergibt. Rasant singt sie die halsbrecherische „Sieges“-Arie - fulminant. Dagegen bleibt Sopranistin Nathalie Paulin als Chlothilde beim Ausdruck von empfindsamen Seelenregungen zunächst merklich blass, um dann bei den Affekten von Angst und Furcht koloraturenflink und kraftvoll aufzutrumpfen. Bei diesem Forcieren wird die Stimme jedoch hart und ungeschmeidig. Altus Matthew White kann als Capitano Uberto überzeugen und der musikalischen Seite der Aufführung einen weiteren Pluspunkt hinzufügen. Sie alle setzen die lebendig artikulierten, dynamisch differenzierten, vibratolosen, quasi „ziehenden“, von instrumentaler Geschmeidigkeit geprägten Klangvorgaben vorzüglich um. Der Beifall dauert lange.
Peter Buske
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