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Kultur: Ahorn, Amaranth und Ebenholz

Blumenmarketerien des ersten der beiden Spindler-Kabinette im Neuen Palais werden restauriert

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Obwohl sie zu den Kostbarkeiten des Neuen Palais zählen, die Touristen bekommen die beiden Schreibkabinette für Prinz Heinrich, den Bruder Friedrichs des Großen, und seine Gemahlin Wilhelmine bei den Führungen nicht zu sehen. Ihre holzgetäfelten Wände zeigen Einlegearbeiten vorwiegend mit Blumenmotiven, die von den 1764 aus Bayreuth an den preußischen Hof geholten Kunsttischlern Gebrüder Spindler gestaltet wurden.

Einst leuchteten diese Marketerien in zartem Rot, Gelb und Grün, aber auch in kräftigem Blaugrün und Violett. Heute sind sie zu bräunlichen, im Heinrich-Kabinett fast schwarzen Farbtönen nachgedunkelt. Dazu soll in der Kaiserzeit eine Nachbehandlung mit ammoniakhaltigen Mitteln beigetragen haben. Doch auch sonst haben die filigranen Kunstwerke arg gelitten. Im Mauerwerk verlaufende schadhafte Entwässerungsleitungen brachten Feuchte in die Räume und ließen den Hausschwamm wuchern. Das Holz wellte sich, Furniere lösten sich und fielen ab. Lange schien trotz intensiver Voruntersuchungen und einer 1986/87 durch Prof. Hans Michaelsen restaurierten, als Wandschranktür dienenden Tafel kaum eine Rettung in Sicht. Sie konnte erst zur Jahrtausendwende durch eine Spende des Vereins „Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten“ auf den Weg gebracht werden.

Die von Thomas Kühn geleitete Holzrestaurierungswerkstatt der Stiftung übertrug die Arbeiten dem Bornimer Familienunternehmen Ralph Broschke, in dem auch Ehefrau Grit und Schwester Silke mitwirken. Einbezogen wurde eine Forschungsgruppe der Fachhochschule Potsdam. Im Kabinett Wilhelmines dominiert jetzt das nackte Ziegelmauerwerk. Die Wandplatten wurden abgebaut und in Broschkes Werkstatt geschafft. Für den Transport mussten die leglich eineinhalb bis vier Millimeter starken Furniere extra gesichert werden, damit sie nicht zerfielen.

Inzwischen ist eine Platte der Südwand wiederhergestellt. Sie wird ebenso wie die restaurierte Wandschranktür, dazu Werkzeuge und Zubehör, während der diesjährigen Hauptausstellung der Stiftung, „Mamor, Stein und Eisen bricht ...“, an Ort und Stelle gezeigt. Daran können Thomas Kühn und die Broschkes in Spezialführungen den Restaurierungsprozess veranschaulichen.

Die Spindler-Brüder verwendeten Ahorn, Amaranth und Ebenholz als Grundfurnier, die Einlegearbeiten bestanden aus Weißbuche. Sie wurden mit unsagbar feinen, manchmal aus Violinsaiten gefeilten Laubsägeblättern ausgeschnitten und dann mit organischen Farbstoffen wie Berberin für Grün, Indigocarmin für Blau oder Brasilin für Rot eingefärbt. Mit langstieligen, über die Schulter gelegten Schnitzmessern wurde anhand einer vorher aufgetragenen Umrisszeichnung das Grundfurnier vertieft, um die Marketerien einkleben zu können. Dazu diente Knochenleim. Außerdem wurden Gravuren eingeschnitten und mit einem schwarzen Kitt ausgefüllt. Sie gaben den Kunstwerken Plastizität. Die Oberflächen wurden, wenn auch wohl nicht auf allen Teilen der Tafeln, lackiert und mit Hilfe von Schachtelhalmbündeln oder Rochenhaut geschliffen.

Dies ist nur ein Ausschnitt des komplizierten Werdegangs der Marketerien, wie ihn Ralph, Grit und Silke Broschke auf den Spezialführungen erläutern. Die Restaurierung beginnt mit einer Begasung gegen Schädlinge. Vorsichtig werden gelöste und hochstehende Furnierteile mittels Zwingen „niedergelegt“ (also wieder geglättet) und Fehlstellen ergänzt. Als wichtiger Schritt folgt das Bleichen, damit auf den nachgedunkelten Tafeln der silbergraue Grundton wieder sichtbar wird. Nicht erneuert werden kann die originale Bunheit der Marketerien, muss Ralph Broschke seine Zuhörer enttäuschen. Dies wäre verlorene Liebesmüh, denn die Farben sind nicht lichtecht und würden bald verblassen. Wie sie aussahen, ist allerdings bekannt, denn Reste haben sich auf den Rückseiten abgefallener Furnierstücke erhalten. Deshalb könnte sich Thomas Kühn vorstellen, bei der Rekonstruktion einer verloren gegangenen Tafel in Kontrast zu den restaurierten Originalen die einstige Farbigkeit darzustellen.

Bis zum Jahr 2009 sollen die Arbeiten an der Täfelung des Schreibkabinetts der Prinzessin abgeschlossen werden. Voraussetzung für den Wiedereinbau ist allerdings, das bis dahin das Mauerwerk saniert und der Hausschwamm beseitigt ist. In die Schlossrundgänge kann der relativ kleine Raum mit den empfindlichen Marketerien allerdings auch dann nicht einbezogen werden. Spezialführungen sind jedoch vorgesehen.

Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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