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Kultur: Akkurat artikulierter Auftakt Orgelsommer begann

mit Holger Gehring

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„Wenn du ein Schiff bauen willst“, erkannte Antoine de Saint-Exupéry, „dann lehre die Menschen die Sehnsucht nach dem Meer!“ In abgewandelter Form ließe sich das auch von der Königin der Instrumente sagen, wie es der Pfarrer vom Kirchsteigfeld, Andreas Neumann, in Vertretung des amtierenden Superintendenten zur Eröffnung des 17. Internationalen Orgelsommers Potsdam am Mittwoch in der Erlöserkirche tat: „Wenn du den Menschen etwas vom Himmel nahe bringen möchtest, dann lasse sie die Orgel hören.“ Bis zum 26. September werden in vierzehn Konzerten Meister ihres Faches aus sechs Ländern die Orgelbank drücken – abwechselnd die der neobarocken Schuke-Orgel in der Nansenstraße, die klanglich einem Steinway-Flügel nicht unähnlich ist, und die der romantischen Woehl-Orgel in der Friedenskirche, die akustisch durchaus an ein Bösendorfer-Pianoforte denken lässt.

Den Auftakt gestaltete Kreuzorganist Holger Gehring aus Dresden. Auch er erweist wie fast alle anderen Organisten dem norddeutschen Orgelmeister Dietrich Buxtehude in dessen diesjährigem 300. Todesjahr alle Reverenz. An der Lübecker Marienkirche begründete er einst die berühmten Abendmusiken, die alljährlich zwischen Martini und Weihnachten stattfanden. Ist es vermessen, aus ihnen den Potsdamer Orgelsommer herzuleiten?! Hell registriert und brillant artikuliert erklingt eingangs Praeludium und Fuge in D, das wie ein Lichtstrahl aus der Höhe beginnt. Eine fröhlich hüpfende Fuge mündet alsbald in festlich-toccatische Freudentänze.

Im stimmungsvollen Kontrast dazu steht die innige, trillerreiche, zungenstimmenweiche Choralbearbeitung „Komm, Heiliger Geist“. Kein Wunder, dass Johann Sebastian Bach von solcher klangsinnlichen Musik überwältigt ist, nachdem er von Arnstadt aus per pedes zum Meister nach Lübeck gepilgert war. Aus vier (bewilligten) Urlaubswochen werden (eigenmächtige) vier Monate. Wieder in Arnstadt muss Bach gehen. Was er bei Buxtehude lernt, findet alsbald Niederschlag in weiteren Werken.

Zum Beispiel in Praeludium und Fuge e-Moll BWV 548, zwischen deren Teile Holger Gehring die tonartgleiche Sonate IV BWV 528 einschiebt. Klar und streng erklingen die „Ecksätze“, akkurat artikuliert und stark metronomisiert. Ein wenig langweilig hört sich auch des Organisten Sonaten-Lesart an, deren Vivacesatz wie gehetzt, später gemessenen Schritts und gleich stockenden Atems abläuft. Gefühlig und mit tremolierenden Zungenstimmen (Vox humana) verbreitet die Choralbearbeitung „Schmücke dich, o liebe Seele“ BWV 654 ihren ganzen Charme. Zeitgenosse Francois Couperin ist mit Auszügen aus seiner „Messe pour les Couvents“ vertreten, in der sich Leichtigkeit und Heiterkeit des französischen Seins herrlich offenbaren. Gehring bevorzugt selbst bei Sätzen im vollen Orgelwerk eine gleichsam singende Deutung. Da das Schuke-Instrument für das „Récit de Cromhorne“ über kein entsprechendes Krummhorn verfügt, tut es auch das achtfüßige Oboenregister. Farbenreiche Mixturen, die mitunter an einen Dudelsack denken lassen, machen die Dialogues (zwischen Trompete und Oboe) zu kurzweiligen Hörhits. Abschließend kommt der Weimaraner Stadtorganist Johann Gottlob Töpfer (1791-1870) mit seiner d-Moll-Sonate zu romantisch geprägtem Wort. Sie pendelt zwischen akkordischer Monumentalität, liedhaftem Mittelteil und leidenschaftlich erregten Finale. Dem Beifall folgt eine Zugabe.

Peter Buske

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