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Kultur: Akribisch und verspielt

Internationaler Orgelsommer mit Irénée Peyrot in der Erlöserkirche

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Die ganze Kunst eines Organisten gründet sich auf eines: den Wind. Mit Hilfe der Klaviatur bestimmt er, wohin selbiger eilen und wie lange er sich daselbst aufhalten und wirken soll. Dieses Triebwerk setzte beim Orgelsommerkonzert am Mittwoch der Franzose Irénée Peyrot in Gang, der an der Schuke-Orgel in der Erlöserkirche mit Werken aus dem Barock und der Vorklassik zu reüssieren trachtete. Dabei schien der seit einem Jahr als Kirchenmusiker an der Marktkirche zu Halle wirkende Organist im Falle von Bach und Buxtehude kräftige Luftströmungen gleich einem Wirbelwind zu bevorzugen. Seit langem hat man solch durchgängiges Fortespiel in durchweg schneidender und durchdringender Registrierung nicht gehört.

Im Falle von Bachs Präludium und Fuge e-Moll BWV 548 führte er gleichsam musikalische Mathematik vor und zeigte dabei unbändige Lust an den fortwährenden Veränderungen, am Entknoten der kontrapunktischen Verstrickungen. Hellgetönt, gradlinig und ohne Registerwechsel durcheilte er die Komposition, mit seziererischem Blick auf den Schlußakkord zueilend. Gleich zu Beginn zog er die erforderlichen Register, die jenen Klang erzeugten, mit denen sich Strenge, glanzvolle Erhabenheit und funkelnde Virtuosität ausdrückten. Solcherart entstand auch aus Buxtehudes d-Moll-Toccata ein klangprächtiges Gebäude: in schlichter Backsteinoptik mit gleichsam glänzenden Fassaden und weich getönten Innenzimmern.

In dieser norddeutschen Manier verfertigt ist auch das e-Moll-Präludium von Nikolaus Bruhns, einem Buxtehude-Schüler. Majestätisch und scharf getönt hob es an, gefolgt von einem fugierten Abschnitt, der durch Peyrot eine lieblich-verspielte Auslegung erfuhr. Agogische Zutaten verliehen dem mehrteiligen Stück mit seinen akkordischen Zutaten, lebhaften Laufereien, langsamen Phrasen und kapriziösen Einschüben eine ansprechende Lebendigkeit. Als sich treubleibender Franzose entdeckte der Organist dann in der achtteiligen „Suite du premier ton“ des Barockkomponisten Pierre Du Mage jenes gefällige frankophone Gefühl, das er – fern deutscher Akribie – in fantasiereicher Registrierung offenlegte. Die Gegensätzlichkeit der Teile stellte er groß heraus. Erhaben erklang im vollen Spiel das „Plein jeu“, gefolgt von einer trompetenschnarrend registrierten „Fugue“, einem diskantgläsernen „Trio“. „Basse de Trompette“ verströmte sich als eindrucksvolles Pedalsolo, das getragene „Recit“ (das 4. Manual der französischen Orgel) als aparte Piece mit Schwellungen im Hinterwerk der Schukeorgel. Eine Registermischung aus großen Stimmen bestimmte das abschließende „Grand jeu“.

Einem reizvollen Spiel galanter Unterhaltsamkeit gleicht die C-Dur-Partita von Jan Krtitel Kuchar, einem Prager Organisten und Mozartfreund. Und so klingen die brillanten Läufe, die vielen ornamentalen Beigaben und gefälligen harmonischen Verwandlungen oftmals wie aus Mozarts Feder. Um sie gebührend wirken zu lassen, vollführte Irénée Peyrot eine Parade der Flötenstimmen. In immer neuen Kombinationen kokettieren sie um die Wette, das pure Vergnügen. Peter Buske

Peter Buske

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