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Besonderes Talent. Fabio Biondi.

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Kultur: Akustische Videoclips

Ein Vivaldi-Abend mit dem Ensemble Europa Galante und Fabio Biondi im Nikolaisaal

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Dass Antonio Vivaldi im Grunde nur ein einziges Konzert komponiert hat, allerdings in 600 Variationen, behauptete kein Geringerer als Igor Strawinsky. Eine Gelegenheit zur Prüfung dieser spöttischen Bemerkung bot sich beim Konzert Solo Vivaldi! mit dem Ensemble Europa Galante und Fabio Biondi im Nikolaisaal.

Das renommierte Alte-Musik-Orchester sorgte schon bei den Musikfestspielen vor zwei Jahren mit einem reinen Vivaldi-Programm für einen großartigen Höhepunkt. Allerdings zeigte das damalige Programm viele, auch unbekannte Facetten des venezianischen Vielschreibers. So erklangen neben Violinkonzerten und Sinfonien zwei Mandolin-Konzerte und Opernarien. Die Gestaltung eines ganzen Abends nur mit Konzerten von Antonio Vivaldi birgt indessen ein gewisses Risiko. Aber vielleicht passen die jeweils nur rund zehn Minuten langen Werke auch besser in unsere Zeit als manch eine ausladende Symphonie. Schließlich wirken sie mit ihrer komprimierten Prägnanz, der Mischung aus Variation und Innovation bei gleichbleibenden Mustern bisweilen wie ein akustischer Videoclip.

Dazu kommt das besondere Talent von Fabio Biondi, das dem von ihm gegründeten Ensemble Europa Galante nicht bloß ein außerordentlich klangschönes Zusammenspiel, sondern auch solistische Höhepunkte beschert. Als Violinist spielt Fabio Biondi in italienischer Barocktradition, virtuos und temperamentvoll, stets um Originalklang bemüht. Im nicht ausverkauften Nikolaisaal trat er mit einem reinen Streicherensemble auf. Zu jeweils drei ersten und zweiten Geigen gesellten sich Violoncello, Violone, Theorbe und Cembalo, ganz im Stil der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert, der Hauptentstehungszeit von Vivaldis Werken.

Nach zwei einleitenden Sinfonien von prägnanter Kürze erklangen insgesamt sechs Konzerte sowie zwei Zugaben. Die kleinen Sinfonien, ursprünglich als Vorspiele zu Opern komponiert, verbreiten schnell festliche Stimmung. So erfreut die Sinfonie der rekonstruierten Vivaldi-Oper Ercule sul Termodonte (Hercules auf Amazonenjagd) mit einem malerischen Andante. Zum bewegten Pizzicato der Bassgruppe erklingt ein lieblicher Unisono-Gesang der sieben Violinen, Idylle pur.

Einzelne musikalische Einfälle ragen immer wieder heraus, auch wenn die folgenden Solo- und Tutti-Konzerte in der Tat dem stets gleichen Muster folgten. Interessant klingt das Largo des D-Dur-Konzerts, wo auf einer rhythmisch harten Bassgrundierung eine Solo-Melodie der Violine liegt. Nicht nur hier fällt aber auch eine gewisse Bevorzugung von Rhythmus und schnellen Tempi auf. Ein origineller Satz wie das Andante im Konzert für drei Violinen besticht allein durch sich. Während die erste Violine ein ostinates Kontinuum von gebrochenen Akkorden entfaltet, zupft die zweite gitarrenähnlich, erst die dritte im Bunde spielt eine gesangliche Melodie dazu, leider in einem durchdringenden, wenig sensiblen Ton.

Ausdrucksvolle Differenzierung war nicht die Stärke des Ensembles, das eine eher hohe Pulszahl und überwiegend einheitliche Lautstärken bevorzugte. Allein die virtuosen Violin-Finessen, die Fabio Biondi auf seinem historischen Instrument von 1766 entzündet, lassen eine Idee des musikalischen Feuers von Vivaldi erkennen. Was jedoch Strawinsky betrifft, muss man sagen: Ganz falsch lag er nicht mit seinem Kommentar über Vivaldi. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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