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Kultur: „Allerley Späße“

Goethe-Zelter-Hommage in Klein-Glienicker Kapelle

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„Goethe spielt Klavier, und gar nicht schlecht“, berichtet 1795 der Jenaer Student David Veit nach Berlin. Ob es noch jene „Giraffe“ (ein aufrecht stehendes Hammerklavier) ist, die der Vater kaufte, damit sich Johann Wolfgang und seine Schwester in die Geheimnisse des Klaviers einarbeiten konnten? In jenem Jahr hört der Geheimrat erstmals ein Lied von Carl Friedrich Zelter auf ein Gedicht von ihm. Er findet die schlichte Vertonung „sehr gelungen“, weil sie das Eigenleben der Dichtung nicht stört. Welcher Dichter achtete nicht darauf! Goethe besonders. Daher sucht er Kontakt zu Zelter, woraus eine Freundschaft in gegenseitiger Hochachtung erwächst. Für den Weimarer avanciert der Berliner Bauunternehmer, Komponist, Leiter der Singakademie, Pädagoge, Musikorganisator und -reformator zum Musiksachverständigen.

Von diesem außergewöhnlichen Verhältnis erzählen Ute Beckert (Sopran, Moderation) und Andreas Wolter (Klavier) auf vergnüglich-wissenswerte Weise in ihrem aus Lebensstationen, Anekdoten (die Teltower Rübchen dürfen dabei nicht fehlen!), Ansichten, Klavierpiecen und Liedern vortrefflich gefügten Programm „So kann man allerley Späße machen“ am Pfingstmontag in der Klein-Glienicker Kapelle. Mit dem (natürlich richtig gestellten) Fontaneschen Irrtum, Zelter sei in Petzow geboren und nicht in Berlin (was jedoch zutreffend ist), beginnt die sangesfroh garnierte Plauderei.

In Petzow habe der Sohn des Bauunternehmers Zelter in seiner Kindheit oft und gern geweilt, und im Schwielowsee sei er beinahe ertrunken. Solches und noch vieles mehr erfahren wir von der in Potsdam geborenen, hier auch gesangstechnisch ausgebildeten Ute Beckert und ihrem Partner. Der spielt aufgrund des beengten Raumes ein E-Piano mit zufällig eingeregeltem Hammerklaviersound. Was den „Liedern ohne Worte“ von Felix Mendelssohn Bartholdy und der Zelterschen Liedpoesie Intimität und typischen Zeitgeist verleiht. Zelters „herzliche Töne“ voll schlichter Machart, von denen Goethe so schwärmt, trägt sie mit hübscher Stimme kehlenflink vor. Den Lyrismen der Vertonungen (unter anderem „Der König in Thule“, „Nachtgesang“, „Mignon“) ist sie nah, den leidenschaftlicheren Bekenntnissen weit weniger, weil sie dann forciert und ihre Stimme unschön klingt.

Die Liebe zur Musik, so die anmutige Plauderin, erwacht dem Achtjährigen, als er zu Weihnachten eine Geige geschenkt bekommt. Bei den ersten Saitenübungen kratzt es mehr als das es klingt, und so erhält er Unterricht in Geige- und Orgelspiel, später in Komposition – bei Carl Friedrich Fasch in Potsdam. Den Fünfstundenweg von Berlin nach Potsdam legt er zu Fuß zurück Zwei Jahre verbringt Zelter auf dem Joachimsthaler Gymnasium „fleißig, aber plauderhaft“, zuweilen auch „rauflustig“. Er wird der Schule verwiesen, beginnt eine Maurerlehre, soll nach des Vaters Willen ein genauso erfolgreicher Bauunternehmer werden. Es kommt bekanntlich anders.

Der erste Briefkontakt zu Goethe datiert aus dem Jahre 1799, wenig später taucht Zelter im Haus am Frauenplan auf. Dann wechseln die ergussreichen Gedankenaustausche zwischen Weimar und Berlin in rascher Folge. Was Goethe an Zelter bewunderte? Dessen Sinn fürs Redliche, Gradlinigkeit, Tüchtigkeit. Der Dichterfürst will Musik verstehen lernen, verspricht sich Genuss vom gemeinsamen Singen, legt sich eine „compendiose Hauskapelle“ zu. Berlin hat er nie besucht, denn den Menschenschlag mag er nicht. Als Goethe im März 1832 stirbt, folgt ihm Zelter knapp zwei Monate später nach.Peter Buske

Peter Buske

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