zum Hauptinhalt

Kultur: Alles andere als halbe Sachen

Neue Bilder von Stephan Velten in der Sperlgalerie

Stand:

Neue Bilder von Stephan Velten in der Sperlgalerie Von Götz J. Pfeiffer „Wir machen fifty-fifty“. So lockt mancher Ganove seinen Compagnon, und auch mit der Aussicht auf fette Beute. Was darf man erwarten, wenn die Ausstellung mit neuen Bildern Stephan Veltens in der Sperlgalerie „fifty fifty“ überschrieben ist? Dass der Maler vor einigen Wochen seinen 50. Geburtstag feierte (PNN berichteten), war nur der äußerlichste Anlass. Und auch sentimental-melancholisches Räsonnieren, seine Lebensmitte oder -hälfte sei erreicht, ist dem gebürtigen Potsdamer nicht zuzutrauen. Vielmehr darf man den Titel als Einladung verstehen, und sollte – wenn der Maler schon anbietet, gemeinsame Sache mit ihm zu machen – beherzt einschlagen. Hand drauf und Augen auf. Was der Maler seinen Betrachtern auf den knapp dreißig Leinwänden vorsetzt, ist – wie gewohnt – keine leicht verdauliche Kost. Doch der neugierige Entdecker wird bald die klug ausgelegten Fährten zu lesen verstehen. Die eine Gruppe der meist älteren Bilder ist dem Spiel der Figur zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion verpflichtet. Auf mehreren Arbeiten aus der Werkgruppe „Kreuzbrucher Torsi“ tritt die menschliche, auf den Rumpf reduzierte Gestalt nur in Andeutungen, aber immer erkennbar aus einem farbig verschatteten Bildraum auf den Betrachter zu. Mal, wie der Bildtitel „La Grotte“ nahe legt, aus einer unterirdischen Diesigkeit. In den kleinen, verwandten Bildern der Serie „Carrara Torso“ scheint der Maler mit dem Blick des Bildhauers in den festen Stein einzudringen und die darin verborgene Figur zu sehen. Und wie ein Steinmetz aus dem Material die Form herausschält, so scheint auch Velten die menschliche Gestalt aus einer tieferen, nur ihm erreichbaren Schicht der Leinwand ins Sichtbare zu heben. Hier ist es ein „Rücken“, mit Öl und Kohle ans Licht geholt. Dort nimmt der überdimensionale „Große Fuß“ mit beeindruckender Präsenz den Blick gefangen. Im Depot des Malers soll noch eine „Große Hand“ schlummern. Dann wieder entzieht sich die einzelne, im geschlossenen Umriss kompakte Figur. Als „Schatten der Bienenkönigin“ scheint sie vom Maler frei gelassen und zurück in den Bilderhintergrund zu sinken. Oder sie dreht sich, körperlich fest und doch leicht wie eine Feder wie in „Summertime“ vom Betrachter fort, entzieht sich seinen Blicken – wie eine oder zwei senkrecht verlaufende, dünne Farbspuren den Figuren Festigkeit und halten sie in der Realität. Und zwischen den figuralen Arbeiten hängen die ganz anderen Bilder aus der 2003 begonnenen und noch im Entstehen begriffenen Werkgruppe „hungry“. Wie ein Menetekel ist das Wort den Leinwänden mit der stets gleichen Szenerie in großen Lettern eingebrannt. In einer ausgedehnten, irrealen Landschaft, die im Vordergrund von einem Ufer, dahinter von einer weiten Wasserfläche und einem fernen Horizont bestimmt wird, stehen sieben Männer vor einem Boot. Die gesichts- und identitätslosen Wesen sind Gestrandete, die an ihrem fahrbereiten und doch nutzlosen Wasserfahrzeug lehnen, als gestrandete Trophäenjäger lange Riemen in die Luft recken oder vor dem kieloben angelandeten Bootsrumpf in versammelter Ratlosigkeit posieren. Wie die wenig älteren Figurenbilder sind die ratlos Gestrandeten vor ihren nutzlosen Vehikeln dem Betrachter etwas entfernt, aber nur so weit, dass er den Blick aus ihren augenlosen Gesichtern auf sich gerichtet fühlt. Doch während die Figurenbilder die Atmosphäre einer friedlichen Idylle ohne die Spur einer Gefahr entfalten, geht von den Gestrandeten eine archaisch begründete und untergründig spürbare Bedrohung aus. Die Selbstaussagen des Malers in dem so schönen wie preisgünstigen Künstlerheft, dem bedauerlicherweise kleine Fehler anhaften, konkretisieren diesen Verdacht an der gegenwärtigen, allgemeinen Stimmung. „Alle haben Hunger nach mehr“, fasst Velten den postmodernen Drang, der nie an ein Ziel gelangt, in eigene Worte und deutet auch an, es gehe derzeit – in seinen Bildern wie in derRealität – um „eine Umbruchsituation, geschichtlich, hormonell, irgendetwas ist im Busche“. Nach einem Gang durch die Ausstellung könnte man – will man den Ausstellungstitel streng programmatisch auffassen – von ihrer Zweiteilung in ein- und mehr gegenständliche „hungry“-Bilder sprechen. Doch wie die Malerei seit mehr als einem Vierteljahrhundert Veltens Arbeiten bestimmt, so gehören auch die beiden Werkgruppen nicht nur wegen der zeitlichen Nähe ihres Entstehens zusammen. Der Maler hat nicht zu viel versprochen. Es ist immer wieder ein guter Entschluss, ihm die Hand und die Augen zu leihen. Er verspricht alles andere als halbe Sachen – und hält sein Wort. Bis 9. Mai in der Sperlgalerie, Mittelstr. 30. Di-So 12-18 Uhr. Künstlerheft 4 Euro. www.sperlgalerie.com

Götz J. Pfeiffer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })