Kultur: Alles Äpfel macht der Mai
Offene Ateliers in Potsdam: Zu Gast in der SEEstraße, bei den Scharsichs, bei Schiller & Friends
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Offene Ateliers in Potsdam: Zu Gast in der SEEstraße, bei den Scharsichs, bei Schiller & Friends Von Lore Bardens Es muss nicht immer die Gewerkschaftskundgebung sein, dachten sich einige Potsdamer Künstler und öffneten an diesem wunderschönen ersten Mai die Pforten zu ihren Ateliers und Galerien, bewirteten die Besucher mit Kaffee, Kuchen, Kräutertee und feinsinnigem Gespräch. An einigen Orten, wie zum Beispiel im Hof der Galerie „M“ und in der Seestraße 11, soll sogar Alkohol ausgeschenkt worden sein. Die Stimmung war gut allenthalben, und manche trugen das Kunstwerk gleich am Leib, wie im Künstler- und Gründerzentrum SEEstrasse effektvoll sichtbar wurde. Wichtiger waren aber dann doch die Bilder an der Wand oder die Skulpturen im Saal. Zierlich wirkten auf einmal die pseudo-afrikanischen Holzarbeiten von Chris Hinze, fast verloren stakt der Bootsführer durch den neu gestalteten Raum des „Pavillons“, dessen Fußboden witzigerweise mit feinstaubigem Sand belegt ist. Gedämpften Schrittes näherte man sich so auch den großformatigen Bildern von Olga Maslo, wo eine dunkle Figur auf weißlichem Grund ganz schön den Kopf hängen lässt. Doch ihre Druckserie von glotzenden Kühen im angrenzenden Raum nimmt dem wieder die Schwere. Gemeinsam haben die Künstler die Angewohnheit, Farbe, Pinsel und Leinwand zu benutzen, wie unterschiedlich die Ergebnisse sind, konnte man auch im alten Schulhaus gegenüber erkennen. Da lugen bei Beret Hamann die Spitzen des Schweizer Alpenmassivs bedrohlich schwarz aus der weißen Umgebung, da reihen sich horziontale, farbige Linien als Ahnung von Landschaften bei Christoph Stötzmann übereinander, da dringt Susanne Ramolla unter Zuhilfenahme von Kugelschreibern mikroskopartig in feinste Zellstrukturen. Alternativ-aktive Gründerstimmung also dort, verhalten-zurückgenommen die Atmosphäre im überraschend hellen Kelleratelier des Ehepaares Tinka und Jürgen Scharsich in der Kattmeierstraße, die man kennen muss, um sie zu finden. Doch der Weg lohnte, bereitwillig führte jeder von ihnen in sein Werk ein. Tinka Scharsich arbeitet an harmonisch wirkenden Collagen, sogar die verwendeten Nägel und Metallteile verlieren durch die sanfte Behandlung alles Martialische. Ihre Fotografien zeigen ästhetische Verfallserscheinungen von Hauseingängen. Hinter dem Trennpfosten das „befreundete Gebiet“ von Jürgen Scharsich, auch Stragies genannt. Inspirieren lässt er sich von Reisefotografien, um dann auf großem Format die Besonderheiten, beispielsweise von weißen griechischen Stadtsilhouetten verfremdet zu einem beeindruckenden Panorama der hellen Töne zu verschmelzen. Wieder ganz anders die beiden Künstler, die sich in Babelsberg als „Schiller & Friends“ ausgaben, tatsächlich aber Andreas Schiller und Kiddy Citny heißen. Letzterer, ein Autodidakt und bekannt geworden als „Mauermaler“, hat sich in seinen großen Bildern die Kraft der Maueranarchie bewahrt. Prall drängende Königsköpfe, einfache Strukturen, direkte Farben entwerfen eine Wildheit und Spontaneität, die ihn zur Antithese des serialisierenden Andreas Schiller machen. Dennoch haben sie sich zu gemeinsamer Malaktion auf einer Leinwand zusammengefunden. Schiller ist mit seinen Apfelbildern bekannt geworden, auf kleinen, quadratischen Formaten malt er einen Apfel nach dem anderen, in unterschiedlichen Farben. Auch die Bananen und Flaschen zeigen Variation im immer Gleichen, und gewinnen an Kraft durch die unendliche Wiederholung. In seinen „Setzkastenbildern“ bringt er, ebenfalls vielfach, zusammen, was nicht zusammengehört: der Fantasievogel von Hieronymus Bosch stakt stolz im roten Kleid einher, links neben ihm die Rakete, fast schelmisch schaut Osama bin Laden aus dem rechten unteren Bildrand. Durch die Reihung, Häufung, Serialisierung will Schiller nichts weniger als das gesamte Kulturschaffen der Menschheit zusammenzuführen. Mindestens 10000 Objekte will er malen, um seinem aussichtslosen Anspruch, der „Gesamtheit der Tatsachen“ Ausdruck zu verleihen, hinterher zu eilen. Hoffentlich hält ihn niemand auf.
Lore Bardens
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