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Kultur: Alles beim Alten

Festkonzert zum 60-jährigen Bestehen der Singakademie Potsdam im Nikolaisaal

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„Singen ist das Fundament in allen Dingen“, meint Georg Philipp Telemann. Sie sei die ursprünglichste Form des Musizierens. So weiß man seit Generationen, dass die menschliche Stimme der direkte Weg ist, die Seele ausgeglichener und stabiler zu halten. Die mittlerweile sechzig Jahre alte Singakademie Potsdam kann davon mehr als nur ein Lied anstimmen. Das Jubiläum ihres erfolgreichen Bestehens und Wirkens beging sie am Sonntag mit einem Festkonzert im Nikolaisaal. Drei Dirigenten gaben sich dabei die Ehre und die Stöckel einander weiter – wie im realen Orchesterleben. Naheliegend daher die Absicht, mit einem quasi Drei-Kaiser-Treffen dem Ehrenfest eine besondere Note zu geben.

Die warmherzige Laudatio in eigener Sache hält die Chorvorstandsvorsitzende Rita Kampe. Ihre erste Begegnung mit Horst Müller, der 1957 die Leitung des Sinfonischen Chores übernimmt, hat sie als Sängerin im Kinder- und Jugendchor. Ihr Resümee: „Wir alle hatten vor ihm großen Respekt und Ehrfurcht, manchmal auch Furcht. Geblieben sind Respekt und Ehrfurcht.“ Müllers erste große chorsinfonische Arbeit ist die Einstudierung von Haydns „Die Jahreszeiten“. Daraus bringt er als seine Geburtstagsgabe den „Herbst“ zum Erklingen. Als Orchesterpartner stehen ihm und den anderen Dirigenten die Brandenburger Symphoniker und ein dem Chor eng verbundenes Solistenterzett zur Verfügung.

Es wird eine sehr betuliche, altersweise Betrachtung, die den Herbst des Lebens unterschwellig mitklingen lässt. Einer betont impulsarm gespielten Orchestereinleitung folgen tempobreite Rezitative, in denen von herbstlichen Vergnügungen berichtet wird. Von „des Lebens Wonn‘ und Glück“ teilt sich allerdings fast nichts mit. Mit bassbaritonaler Wohlgefälligkeit deklamiert Sebastian Bluth die Betrachtungen des Simon, während Reinhart Ginzel (Lukas) in den engen Grenzen seines lyrischen Tenors verbleibt. Überglänzt werden beide Sänger von der leichtstimmigen und höhensicheren Christine Wolff (Hanne), die ihren lyrischen Sopran in allen Lagen leuchten und glänzen lässt. Über eine halbe Stunde müssen die Choristen auf ihren ersten Einsatz warten, um den Jagdchor entsprechend kraft- und klangvoll anstimmen zu können – dynamisch zumeist auf einheitlichem Forte-Niveau eingepegelt und wie einstudiert wirkend. Der finale Chorjubel des Landvolks über Lebensfreude und trunkene Weinfolgen erfolgt im Fortissimo und entspricht wirklich der textlichen Vorlage des „aus vollem Halse schrei‘n“.

Anno 2003 erfolgt der Stabwechsel an Edgar Hykel, der trotz seiner Arbeit als Chordirektor am Staatstheater in Nürnberg wöchentliche Fahrten zu Proben oder Aufführungen in Kauf nimmt. „Gemeinsam reisten wir durch die Epochen der Musikgeschichte“, so Rita Kampe. „Wir schwelgten in Schubert, Mozart und Verdi, klatschten Rhythmus bei Bernstein, swingten mit Gershwin und stolperten über ungarische Zungenbrecher bei Kodaly. Damit brachte er den Chor oft an seine musikalischen Grenzen.“ Zu Höchstleistungen spornt er seine einstigen Schützlinge nun erneut bei der Wiederaufführung des „Magnificat“ vom Briten John Rutter (Jahrgang 1945) an. Salopp gesagt: Nun kommt Leben in die Bude. Dieser moderne Lobpreis Mariae hat es in sich: rhythmisch reizvoll und vertrackt, motorisch, wiegenliedartig. Bei der Umsetzung tanzen des Dirigenten Hände Ballett, und auch sein körperbetontes Dirigat erinnert an alte Zeiten. Musiker und Sänger fühlen sich angespornt und inspiriert. Zwischen lautstark und zart, schwebend und jubilierend bleiben keine Wünsche offen. Die Soli singt Christine Wolff mit Hingabe und silberheller Stimme, rein, voller Innigkeit und Wärme. Ein wahrlich himmlischer Genuss.

Den bereitet auch die Wiedergabe von Beethovens c-Moll-Chorfantasie op. 80 unter Leitung von Thomas Hennig, der 2010 den Dirigentenstab übernimmt. „Mit Schwung, Elan und einer Fülle von Ideen bringt er sich in die Arbeit ein“, lobt Rita Kampe. Auch hier tritt der Chor erst gegen Werkende in Aktion, als er mit dem Gesang der biedermeierlichen Kuffner-Ode „Schmeichelnd hold und lieblich klingen“ die zuvor im Orchester „geborene“ Melodie auch in praxi hold und lieblich ertönen lässt. Dagegen eröffnet sich das Opus mit einer grandiosen Klavierkadenz, die dem Pianisten alle Raffinessen virtuoser Spieltechnik abverlangt. Für den Japaner Haruka Kuroiwa kein Problem: Er bewältigt sie mit staunenswerter Bravour, schwelgt im Lyrischen, zeigt die Pranke des Tastenlöwen vor. Nach und nach hinzutretende Orchesterinstrumente fügt Thomas Hennig sicher zusammen und führt sie zielstrebig in den finalen Con-brio-Rausch. Der Jubel brandet.

Peter Buske

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