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Kultur: Alles Nichtse

Grit Poppe und Kissogram morgen im Waschhaus

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Irgendwie fies, die Frauen, die bei der Potsdamer Autorin Grit Poppe im Mittelpunkt stehen. In ihrem von der Kritik sehr positiv aufgenommenen Debüt „Andere Umstände“ war es Mila, der jegliche Skrupel fehlten. Wenn die Männer nicht so wollten wie sie, ging es ihnen an den Kragen. Bittersüß war der Geschmack dieser vor acht Jahren erschienenen Geschichte, die erfrischend zwischen Wenderoman, Groteske und Frauenbuch changierte.

In ihrem nun gerade zur Buchmesse erschienen neuen Buch „Geteiltes Glück“ (Gustav Kiepenheuer), aus dem Poppe am morgigen Freitag im Waschhaus lesen wird, heißt die genauso undurchsichtig angelegte Heldin Annelie. So ganz schlau wird man aus ihr nie. Sie stibitzt Alkohol bei dem Professor, für den sie sauber macht, sie klaut Weihnachtsgeschenke und dem Weihnachtsmann schnauzt sie gerne „Halt“s Maul“ ins Gesicht. Zwar hat ihr die Autorin den Ehemann Jonathan zur Seite gestellt, doch der ist ein rechter Waschlappen. Ein klassischer „Loser“, wie Poppe schreibt, der passiv dem Scheitern seiner Ehe zuschaut. Er muss spätestens dann leiden, als ihm „die Hand ausrutscht“. Häusliche Gewalt lässt sich Annelie nicht bieten. Doch bis zum Mord wie in „Andere Umstände“ kommt es hier nicht. Die Sympathien liegen jedoch, egal was passiert, eindeutig bei Annelie und ihren zwei Kindern Alex und der schokoladenfixierten Nina.

Aufgebaut ist der Roman wie eine Unendlichkeitsacht. Annelie und ihr Mann haben sich auseinander gelebt, ohne es recht zu merken. Ja, sie sind grundverschieden. Wo sie davon träumt, unter dem unendlichen Horizont der Wüste im Sand zu versinken, möchte er ..., ja was, eigentlich? Die Männer, so könnte man nach Poppes Auffassung vom starken Geschlecht sagen, haben Träume und deren Verwirklichung aufgegeben. Die sind eindeutig in Frauenhand. Männer sind zu schlaff. Annelie und Jonathan entfernen sich voneinander, um sich überraschend dort wieder zu treffen, wo sich Annelie ihrer Natur am nächsten wähnt: In der Wüste Tunesiens. Annelie, gerade von der Bettstatt eines erotischen, ja exotischen Abenteuers erhoben, läuft wie magisch angezogen in die sandige Unendlichkeit. Bald schon hat sie die Orientierung verloren. Sind die Palmen in der Ferne, unter denen eine Gestalt kauert, eine Fata Morgana?

Grit Poppe wollte eine Trennungsgeschichte einmal ohne Schmerz und Bitterkeit, sondern mit Humor erzählen. Die schönsten der kurzen Kapitel haben Slapstick-Qualität. Da ist Jonathan überrascht, dass seine Frau abends vom geklauten Whiskey betrunken unter den Tisch rutscht. Es klingelt, und jemand, der mit dem Journalisten ein ernstes Wörtchen reden will, steht im Wohnzimmer. Erklärung? Jonathan tut sich da schwer.

Neben dem „schön gemeinen Humor“, den die größte deutsche Frauenzeitschrift Poppes Literatur attestierte, verbirgt sich sprachlich auch ein bewusstes Suchen. Als ob die Gegenstände, die beschrieben werden, in der Wüstensonne unscharf vibrieren, bemüht sich die Autorin um eine Scharfstellung. „Genauer gesagt“ ist eine oft auftauchende Redewendung, ein „jedenfalls“ oder ein „vorausgesetzt, dass“ versucht die Dinge so darzustellen, wie sie tatsächlich sind. „Vorausgesetzt, dass“ dahinter sich auch wirklich etwas verbirgt, würde vermutlich Poppe in der ihr eigenen Nüchternheit einschränken. In der Fülle von gedachten Möglichkeiten ist bei Grit Poppe häufig die leerste und platteste die, welche der Wirklichkeit am nächsten kommt. „Ihr seid alles Nichtse!“, kommentiert in diesem Sinne denn auch der um seinen Alkoholvorrat gebrachte Professor allgemein gültig.

„Geteiltes Leid ist halbes Leid, geteiltes Glück ist doppeltes Glück“ sagt zwar der Volksmund. Bei Grit Poppe muss der Satz umgestellt werden. Ihre starke Frau könnte sich jederzeit dazu entschließen, das Glück zu teilen, um das Leid endlich zu halbieren.

Nach der Lesung (Freitag, 20 Uhr) spielt auf Wunsch der Autorin die Berliner Band „Kissogram", in der auch ihr Halbbruder mitspielt, für alle Besucher Großstadtpop.

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