zum Hauptinhalt
Kein notorischer Schwarzmaler. Sven Regener, Sänger von Element of Crime, im Nikolaisaal.

©  Andreas Klaer

Von Philipp Kühl: Alles wie immer

Ein Hort der Beständigkeit: Element of Crime mit einem Exklusivkonzert im Nikolaisaal

Stand:

In einer Welt, in der sich alles so rasend schnell ändert, in der das Undenkbare von heute, die Gewissheit von morgen ist, braucht man Dinge an denen man sich festhalten kann. Fußball und Religion bieten sich da an. Oder eben die Musik von Element of Crime.

Seit dem Jahr 1985 ist die Band im Popgeschäft tätig und hat sich seitdem kaum geändert. Schon immer weise, schon immer etwas verschroben und mit einem Sven Regener, der die kleinen und großen Absurditäten des Lebens mit einem verblüffenden Sprachgefühl in seinen Liedtexten serviert. Die Band ist ein Leuchtturm in der Musiklandschaft, der seinen Scheinwerferkegel Jahr für Jahr über das tosende Meer wirft und bei allen Unwettern keinen Zentimeter von seiner Position weicht. Da macht auch das neue Album „Immer da wo du bist bin ich nie“ keine Ausnahme, das die Band am Donnerstagabend in einem exklusiven Radiokonzert in Potsdam vorstellte. Schon Wochen vorher war das Konzert im Nikolaisaal restlos ausverkauft.

„Guten Tag, wir sind Element of Crime. Live auf Radio 1“, begrüßt Sven Regener die Anwesenden lakonisch und mit einem spitzbübischen Lächeln, denn er wird diese Ansage den ganzen Abend als „Running Gag“ wiederholen. Dann schrammelt Regener den ersten Akkord und alles ist so wie immer.

Seltsame Welten tun sich auf, in denen sich Figuren bewegen, mit denen man lieber nicht tauschen möchte und die man doch so gut kennt. „Wer die Monatskarte hat, sollte lieber nicht am Monatsanfang sterben“ und „erst wenn alles scheißegal ist, macht das Leben wieder Spaß“, schnoddert Regener in sein Mikrophon und man fragt sich, warum diese sperrigen Texte, diese Musik eigentlich so schön ist. Nur Schade, dass man Regener an diesem Abend oft nicht richtig akustisch versteht. Mal nuschelte er nur ins Mikrofon, ein anderes Mal schien die Technik zu leise.

Dem Publikum ist das egal, denn die Botschaften von Element of Crime sind in Fankreisen heilig und so grenzt die Textsicherheit der Zuhörer, an die von eifrigen Koranschülern. Und was der Sänger der Band nicht mehr in Worte fassen kann, zeichnen seine Musikerkollegen an ihren Instrumenten nach. Die nebulösen Akkorde aus Jakob Friederichs Gitarre umwehen die mal schleppenden, mal kantigen Beats von Schlagzeuger Richard Pappik. Hin und wieder jault eine Slide-Gitarre. David Young, Bassist, studierter Philosoph und Langzeitproduzent der Band, lässt sein Instrument die Töne brubbeln dazu mit einer Seelenruhe und geschlossene Augen seine Töne, als ob er eigentlich in anderen Sphären schweben würde.

Auch wenn sich Element of Crime als Rockband bezeichnen, bleibt die Stimmung introvertiert. Da gibt es kein ausbrechendes Gitarrensolo, kein losrockendes Schlagzeug, keine egomanische Selbstinszenierung. Das Thermometer der Leidenschaft steigt nicht über Zimmertemperatur. Warum auch? Man kann ja auch mit Worten alles kurz und klein hauen.

„Bring den Vorschlaghammer mit“ ist einer der größten Hits der Gruppe und fasst Sven Regeners Philosophie gut zusammen: „Bring den Vorschlaghammer mit, wenn du heute Abend kommst, dann hauen wir alles kurz und klein. Der ganze alte Schrott muss raus und neuer Schrott muss rein“, rüpelt der Sänger ins Publikum und jeder weiß: Der Regener ist kein notorischer Schwarzmaler, sondern eher ein desillusionierter Weltverbesserer. Nach knappen anderthalb Stunden, vier Zugaben inbegriffen, ist dann aber Schluss mit diesem unverwechselbaren, manchmal fast grenzdepressiven Element of Crime-Gefühl. Das Publikum ist hörbar zufrieden: Wieder einmal war alles so wie immer.

Das neue Album von Element of Crime „Immer da wo du bist bin ich nie“ ist am 18. September beim Label Universal erschienen

Philipp Kühl

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })