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Kultur: Alles wird gut Gesiegt für die Umwelt

Sinfoniekonzert mit dem Brandenburgischen Staatsorchester im Nikolaisaal

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Was heute zur Avantgarde zählt, kann morgen schon ein Klassiker sein. Doch selbst bei Witold Lutoslawski, der zu den anerkanntesten Komponisten des 20. Jahrhunderts zählt, kann von breiter Zustimmung noch nicht die Rede sein. Erst recht nicht von Begeisterung. Woran mag das wohl liegen?

Eine mögliche Antwort darauf gab das Konzert des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt (Oder), das Lutoslawkis Cellokonzert mit Beethovens 3. Symphonie am Samstag im Nikolaisaal reizvoll kontrastierte. Für den als Dirigenten vorgesehenen Heinz Schiff war kurzfristig Karl Heinz Steffens eingesprungen. Als Solist brillierte der junge Cellist Bruno Weinmeister. Eine Konzerteinführung durch Dörte Reisener und ein anschließendes Gespräch mit Dirigent und Solist weckten notwendiges Verständnis für Lutoslawskis Komposition. Denn dieses Werk erschließt sich nicht bei bloßem Zuhören, sondern über den Intellekt. Seine herben, grellen Klänge fordern den Zuhörer wenn nicht zu Abwehr, so doch zum Nachdenken heraus.

Erst mit einigen Kenntnissen von Entstehung und Zeitgeschichte kann das Werk angemessen gewürdigt werden. Was ein bisschen schade ist – sollte die Musik den Menschen nicht direkt ansprechen? Der Sinn des Cellokonzerts erschließt sich aber erst durch Analyse und Vergleich, die klassischen Mittel der Kritik. Geradezu beispielhaft sieht man daran, wie die Sprache der Musik im 20. Jahrhundert zur Sprache der Vernunft geworden ist. Dabei klingt das Konzert gar nicht „vernünftig“, sondern laut, grell, zerfahren, hektisch, schrill, anorganisch, destruktiv. Selbst wenn der großartige Bruno Weinmeister noch so lyrisch ausdrucksvoll spielt, muss das Orchester stören, zuerst mit leisem Grummeln, Rauschen und Glissandi – dann immer lauter. Zwischen beiden Kräften entsteht ein veritabler Kampf, bei dem man nicht weiß, wer gewinnt.

Doch glücklicherweise gibt es ein Happyend: der Cellist, der mit intensiv pochenden und zugleich versponnen Klängen begonnen hatte, endet auftrumpfend mit dem hohen a. So zerrissen und schräg, wie diese Musik insgesamt klingt, erweist sie sich doch auch der klassischen Musiktradition verbunden. Allerdings betonte die Interpretation der Brandenburger die kontrastreichen, narrativen Elemente stark, so dass gelegentlich der Eindruck von reiner Programmmusik entstand.

Ähnlich ging es bei Beethovens 3. Symphonie, der Eroica, zu, die allerdings von vornherein einem Programm verpflichtet war, nämlich dem „Andenken eines großen Mannes“. Dass Beethoven sich später enttäuscht von Napoleon abwandte, spielt keine Rolle für die ausschlaggebende Inspiration. Die Qualitäten der tonalen Musik kommen hier vollendet zum Vorschein. Ungebrochene Begeisterung ertönt schon in den schwingenden Dreiklängen des Kopfsatzes und erst Recht bei den Variationen im Finale. Auch der schlicht und trocken gespielte Trauermarsch kann die Heiterkeit des Scherzos, den triumphierenden Ausklang nicht trüben. Mit seiner deftigen „Alles-wird- gut“-Rhetorik verströmt der vierte Satz grenzenlosen Optimismus und gutwillige Gelassenheit. Fast schien es, als wollte Steffens mit dieser lichten und leicht plakativen Interpretation die düsteren Zweifel und Beschädigungen des Cellokonzerts wieder gut machen.

Babette Kaiserkern

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