Kultur: Alltag der Leibgarde
Volker Schobeß stellt neues Buch über Friedrichs II. Elitetruppe vor
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Die hoch aufgewachsenen und prachtvoll uniformierten Leibgardisten Friedrichs II. stellten im Potsdam des 18. Jahrhunderts das „Männlichkeitsideal“ dar. Sie dienten unmittelbar dem König, genossen Privilegien, so in der Besoldung oder beim Aufstieg in höhere Dienstränge, und erreichten jene gesellschaftliche Anerkennung, die dem einfachen Mann sonst versagt blieb. Das stellt Volker Schobeß in seinem Buch „Die Leibgarde Friedrichs des Großen“ fest.
Aus ihrer bevorzugten Stellung und der Nähe zum Herrscher entwickelte die Leibgarde ein Elitebewusstsein, das sie bei anderen Soldaten und der Stadtbevölkerung nicht eben beliebt machte, sich aber in den friderizianischen Kriegen in großem Kampfesmut und hoher Opferbereitschaft äußerte. Sowohl in der Schlacht von Mollwitz (1741) wie auch bei Kolin (1757) verloren jeweils zwei Drittel der etwa 900 Mann des 1. Bataillons Leibgarde ihr Leben oder wurden schwer verwundet.
Der Autor bleibt jedoch nicht bei den militärischen Leistungen und Leiden in den Schlachten der Schlesischen Kriege stehen. Er schildert vielmehr „sorgfältig und minutiös“ und mit „nicht mehr alltäglicher profunder Kenntnis“, wie ihm der Historiker Prof. Dr. Gerd Heinrich im Geleitwort bescheinigt, ebenso den Potsdamer Soldatenalltag im Friedenszeiten. Den meisten Leibgardisten ging es nicht so gut, dass sie auf einen Nebenerwerb verzichten konnten. Da ihnen im Gegensatz zu anderen Soldaten, die sich u. a. als Bauhelfer verdingten, schwere Handarbeit versagt war, finden wir sie nach Dienstschluss am Spinnrad, sie malten Bilder oder veranstalteten gar Straßentheater. Grenadiere verkauften die silbernen Litzen ihrer Uniform - allein 1785 führte dies zu 26 Kriegsgerichtsurteilen -, und bei nach dem Siebenjährigen Krieg ohne Anwartschaft auf Versorgung entlassenen Offizieren kam es zu Selbstmorden.
So lagen Glanz und Elend der Potsdamer Garden eng beieinander, die 1744 bereits 3533 Soldaten und 123 Offiziere zählten. Dennoch verfügten sie, stellt der Autor fest, „gegenüber der ärmern berufstätigen Bevölkerung über ein viel höheres Maß an Versorgungssicherheit: regelmäßiger Sold, kostenlose Kleidung, mietfreie Unterbringung, Service im Bürgerquartier“. Das Quartier bestand allerdings nur aus einer Stube mit zwei Betten, die sich vier Soldaten teilen mussten - an ein Privatleben war da nicht zu denken. Deshalb wurden Leibgrenadieren im Militärwaisenhaus Zimmer zur Verfügung gestellt, wo sie sich mit ihrer Liebsten treffen konnten.
Man kann das Buch von Volker Schobeß als Fortsetzung des 1997 erschienenen Titels „Die Potsdamer Wachtparade“ verstehen, bei dem er sich auf die „Langen Kerls“ konzentrierte. Aus dieser Truppe des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. übernahm sein Sohn Friedrich II. zahlreiche befähigte Militärs, die wesentlich zu seinen kriegerischen Erfolgen beitrugen. Wie in der „Wachtparade“ setzt der Autor die Ereignisse stets in enge Beziehung zu Potsdam, so dass das Buch auch für eher stadtgeschichtlich als militärhistorisch interessierte Leser eine lohnenswerte Lektüre darstellt. Es wird vom Herausgeber, dem Förderverein Militärmuseum Brandenburg-Preußen e.V., am Mittwoch, 19. Juli, 19 Uhr im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte am Neuen Markt in einer Buchpremiere präsentiert. Erhart Hohenstein
Volker Schobeß, Die Leibgarde Friedrichs des Großen, 200 S., 93 Abb., trafo verlag, Berlin 2006,
Erhart Hohenstein
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