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Kultur: Allzu ernst nimmt er sich nie

Arnold Hänsch’s Jazzband wird zehn Jahre alt / Konzert am 1. Weihnachtsfeiertag im Nikolaisaal

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Arnold Hänsch’s Jazzband wird zehn Jahre alt / Konzert am 1. Weihnachtsfeiertag im Nikolaisaal Von Dirk Becker Wer es bei Arnold Hänsch mit Kategorien versucht, der wird es schwer haben. Da ist in erster Linie die Musik, Jazzmusik, und die Band, die seinen Namen trägt. Das nun schon seit zehn Jahren. Aber sich als Jazzmusiker zu bezeichnen, da ist Arnold Hänsch zurückhaltend. Zu viele Musiker, die das „Jazz“ im Namen beanspruchen, pflegen das Klischee vom elitär-verkopften Künstler, der sich minutenlang auf seinem Instrument durchs Atonale windet, als habe er gerade Erleuchtung erfahren. Dergleichen wird man von ihm auf seiner Trompete nie erleben. Passt auch nicht zu diesem aufgeschlossenen Menschen. „Easy listening with dixieland & swing“ ist das Motto der Arnold Hänsch Jazzband. Wenn Hänsch das übersetzen soll, dann erklärt er, dass sie Jazzmusik nicht für Jazzpuristen machen. Bekannte Standards, mittlerweile an die 200 im Repertoire, stehen bei ihm und den anderen sechs Profimusikern auf dem Programmzettel. „Strangers in the night“ beispielsweise. Melodien also, die selbst Oma Krause mitpfeifen kann. „Zwar keine Tanzmusik, aber tanzbar“, so Hänsch. Ein Mainstreamer, wie man in Fachkreisen gerne spricht? Doch auch diese Jacke will Hänsch nicht passen. Denn die alten Klassiker werden bei Arnold Hänsch meist unorthodox neu interpretiert. Da darf es einen nicht wundern, wenn durch „Strangers in the night“, auf einmal der Samba tänzelt. Und je länger man sich mit ihm unterhält, um so deutlicher wird, der 37-Jährige hat sich mit den Jahren einen eigenen Frack geschneidert. Dabei ist er zwar immer pragmatisch geblieben, den üblichen Schubladen aber erfolgreich entschlüpft. Ausgerechnet im obstversessenen Werderland nahm alles seinen Anfang. Der elterliche Haushalt war sehr musikalisch, erinnert sich Hänsch, wobei sich die Musikbegeisterung auf die deutsche Hitparade bezog. Keine dicke Plattensammlung also, in der er die Ikonen der Jazzmusik hätten entdecken können. Seine ältere Schwester ebnete ihm den Weg. Sie wurde Berufsmusikerin und zeigte so den anfangs skeptischen Eltern, dass man damit sehr gutes Geld verdienen konnte. Und sollte sich der Sohnemann ebenfalls für diesen Weg entschließen, dann nur mit ordentlich abgeschlossenem Studium. Arnold Hänsch entschied sich dafür. In der Potsdamer Musikschule, trat er mit gerade 13 Jahren seinem damaligen Lehrer Herbert Kamprath mit der Forderung gegenüber, er wolle „Tanz- und Unterhaltungsmusik“ – die in der DDR offizielle Bezeichnung für Jazz – machen und später auch studieren. Kamprath schlug zuerst die Hände über den Kopf zusammen. Aber er erkannte das junge Talent und förderte den Querkopf. Mit 15 Jahren bestand Arnold Hänsch die Eignungsprüfung an der Berliner Musikhochschule „Hans Eisler“. Zwei Jahre später, als besonders Begabter ohne Abitur, begann er dort sein Studium, und hatte auch gleich sein Schlüsselerlebnis. Bei einer „Schnupperparty“, die älteren Semester sondieren die Frischlinge, musste Hänsch ran. Für eine Session wurde er auf die Bühne geschickt. „When the saints go marchin´ in, ein ganz simpler Song eigentlich. „Doch ich wusste nicht, was ich dort machen sollte. Von wegen improvisieren. Ich hangelte mich durch ein Solo, vollkommen peinlich. Danach kam ein anderer Student auf ihn zu. „Hey Alter, spielst du eigentlich gern Trompete?“ Arnold Hänsch bejahte mehrmals, heftig nickend. Sein Gegenüber: „Warum lernst du es dann nicht.“ Das saß. Man kann sagen, dass Arnold Hänsch sein Studium sehr ernst nahm. 1987 machte er seinen Abschluss. Mit 22 erhielt er seinen ersten Lehrauftrag. Kurze Zeit später kam der Student von damals, entschuldigte sich und nahm Unterricht bei ihm. Lehrer ist Arnold Hänsch bis heute geblieben. Die Berliner Hochschule verließ er 1995. An der Potsdamer Musikschule hat er mittlerweile die Stelle seines einstigen Lehrers Kamprath übernommen. Er war an der Gründung der Big Band „Big Pack“ vor zehn Jahren beteiligt, betreut sie noch heute. Und so umtriebig er als Lehrer war und ist, so umtriebig war und ist er als Musiker. Schon während seines Studiums spielte er im Palastorchester unter der Leitung von Alfons Wonneberg. Später kamen die Big Band von Dieter Keitel und das Fernsehorchester unter Joe Kurzweg dazu. Diese waren ihm immer auch mehr Vorbilder als all die großen Namen im fernen Amerika. Die Lehrtätigkeit und unterschiedliche Engagements wie beispielsweise „Jazz im Frack“, wo sie sich an Komponisten wie Verdi und Rossini „vergreifen“, ermöglichen es Arnold Hänsch und seiner Band nicht unbedingt jeder Auftrittsanfrage nachkommen zu müssen. Das im „Schlamm stehen bei Grundsteinlegungen“ der Anfangszeit ist vorbei. Die acht Musiker haben sich einen Namen gemacht, vor vier Jahren ihr erstes Album „Konfus“ aufgenommen und selbst schon im Dogenpalast in Venedig gespielt. Zehn Jahre Bandgeschichte, auf die Arnold Hänsch trotz mancher Schwierigkeiten zufrieden zurück blickt. Für die nächsten zehn Jahre sind die Wünsche bescheiden: ein professionelles Management, Auftritte und weiterhin die Vielseitigkeit der Musik, denn festlegen will sich Arnold Hänsch auch in Zukunft nicht. Heute eine Weihnachtsgala im Friedrichstadtpalast, morgen in kleiner Besetzung im verrauchten Club, um am nächsten Tag vielleicht im Studio zu stehen, umtriebig will Hänsch bleiben. Musik als eine Art Dienstleistung, so pragmatisch sieht er es. Eine Dienstleistung, zu der ein großes Maß an Leidenschaft gehört. Musiker mit Leib und Seele also, eine Kategorie, die dann doch treffend auf Arnold Hänsch passt. Die Arnold Hänsch Jazzband spielt am 25. Dezember, um 21 Uhr, im Foyer des Nikolaisaals Weihnachts-Jazz

Dirk Becker

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