Orangen in Potsdam: Als hätte der Himmel Gold vergossen
Carsten Hinrichs berichtet in seinen Vorträgen von 300 Jahren Orangeriekultur in Potsdam
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An dieser Stelle ein kleiner Warnhinweis vorweg: Wer sich von Carsten Hinrichs über die Zitruskultur im Allgemeinen und das nicht gerade geringe königliche Interesse an den Bäumen und ihren Früchten in Potsdam im Besonderen berichten lässt, sollte sich nicht wundern, wenn er danach infiziert ist. Das kann hier aus eigener Erfahrung bestätigt werden. Denn nach einem herzlichen und hochinteressanten Gespräch mit Carsten Hinrichs zieren mittlerweile zwei Zitronenbäume den heimischen Garten: Citrus sinesis navelina und Citrus paradisi. Und wäre da nicht die Vernunft in Form einer auf Mäßigung und Zurückhaltung drängenden Ehefrau, es wären mit Sicherheit längst noch ein paar mehr.
Im Rahmen der Musikfestspiele wird Carsten Hinrichs am morgigen Mittwoch und am Donnerstag, dem 26. Juni, unter dem Motto „Die Früchte der Unsterblichkeit. Göttergold für Preußens Könige: 300 Jahre Orangeriekultur in Potsdam“ unter anderem zur Orangerie Sanssouci führen und über die so begehrten und faszinierenden Pflanzen und Früchte berichten. Ein Vortrag, der beim diesjährigen Festspielmotto „Mittelmeer zwischen Traum und Wirklichkeit“ kaum passender sein könnte. Denn es sind die immergrünen Zitronen- und Orangenbäume, die mit ihrer blühenden Pracht für eine südländische Atmosphäre sorgen können. Ob die Könige und Fürsten im Europa der Renaissance von einer Sehnsucht nach dem Süden getrieben waren, als sie damit begannen, eigene Gärten für diese Pflanzen anzulegen, scheint eher unwahrscheinlich. Es war in erster Linie das Status- und Herrschaftssymbol, das sie antrieb und keine Kosten scheuen ließ. „Betörend der Duft der Blüten und faszinierend das glänzende, immergrüne Laub der Bäume. Es scheint, als hätte der Himmel feines Gold vergossen und die Erde daraus Kugeln geformt, so beschreibt ein arabischer Poet die leuchtenden Früchte und verspricht, dass Glückseligkeit herrscht, wo immer Orangen gepflückt werden können. Mythen, Sagen und Paradiesvorstellungen verbinden sich mit diesen Bäumen, seit die Menschen vor Jahrtausenden begannen die Wärme liebenden Orangenbäume zu domestizieren“, wie es in dem kleinen, aber so wunderbar feinen Buch „Orangen für den Bischof“ aus der Reihe „Potsdamer Pomologische Geschichten“ des Potsdamer Vacat-Verlages heißt.
Vor mehr als 4000 Jahren begannen die Menschen in China, Zitruspflanzen zu domestizieren. Carsten Hinrichs sagt, dass es mit der Zitronat-Zitrone, der Pampelmuse und der Mandarine ursprünglich nur drei Sorten gab, aus denen durch Kreuzungen die zahlreichen Variationen entstanden. Über die Seidenstraße gelangten die Pflanzen und das Wissen um ihre Zucht nach Indien. Alexander der Große soll Zitronen- und Orangenbäume nach Griechenland gebracht haben, wo sie unterschiedliche Verwendungen fanden. Später brachten arabische Händler über Spanien die kostbaren Pflanzen bis nach Italien. Hier wurden sie in eigens angelegten, sogenannten arabischen Gärten gezüchtet.
Hinrichs, der mehrere Jahre Dramaturg bei den Musikfestspielen Sanssouci war und seit September 2011 Chefredakteur von Rondo, dem Magazin für Klassik und Jazz ist, begann sich schon bald für den Orangeriekult am preußischen Hof zu interessieren. Zu offensichtlich waren Hinweise mit der Orangerie Sanssouci und den zahlreichen Kübelpflanzen vor den Schlössern und in den Parkanlagen. „Und je mehr ich mich damit beschäftigte, umso mehr Anspielungen in der Architektur und Gartenkultur der Schlösser und Parks entdeckte ich“, sagt Carsten Hinrichs. Es dauerte nicht lange, da kaufte er sich auch die erste eigene Zitruspflanze. „Ich bin einfach in die Pflanzenabteilung eines Baumarkts gegangen.“ Mittlerweile ist das zu einer ausgewachsenen Leidenschaft geworden, zieren prächtige Zitrusbäume seine sonnenseitige Terrasse. Aber an die Leidenschaft Friedrich des Großen kommt Carsten Hinrichs nicht heran, denn dafür würden ihm die Möglichkeiten fehlen. Denn für die Überwinterung der kostbaren Pflanzen braucht es entsprechende Räume, wie die Orangerie von Sanssouci.
Friedrich I. hatte sich in seiner Amtszeit stattliche 350 Exemplare zugelegt. Sein Nachfolger Friedrich Wilhelm I., bekannt als der Soldatenkönig, hatte andere Präferenzen und reduzierte den Bestand an Zitruspflanzen auf klägliche 52 Stück. Für seinen Sohn Friedrich der Große war dann wieder Aufrüstung in Sachen immergrünen Pflanzen. Bis 1756 hatte Friedrich II. 1000 Zitrusbäume in seinem Besitz, davon allein 541 in Sanssouci, wo er sich sein ganz eigenes Arkadien geschaffen hatte. Mehrere Orangerien in Potsdam und Berlin dienten in den Wintermonaten einzig dem Erhalt und der Pflege diese Pflanzen. Und das mit einem ausgeklügelten Beheizungssystem, das bis heute unübertroffen ist.
Aber warum dieses Interesse der Könige und Fürsten an diesen Pflanzen und ihren Früchten, die hierzulande auch als goldene Äpfel bezeichnet wurden? „Diese Pflanzen galten als Symbol der Dynastie“, sagt Carsten Hinrichs. Sie sind immer grün und blühen auch, selbst wenn noch Früchte an den Ästen hängen. Ein Gleichnis für jede herrschaftliche Familie, die nur durch den Nachwuchs den eigenen Fortbestand sichert. Gleichzeitig standen die Zitrusbäume für die Unsterblichkeit, weil sich hier wie in einem Kreislauf Ursprung und Weiterentwicklung abbilden. Und dann natürlich ihre ganz eigene Schönheit. Wenn Carsten Hinrichs davon spricht, öffnet sich eine ganz eigene Welt.
„Die Früchte der Unsterblichkeit. Göttergold für Preußens Könige: 300 Jahre Orangeriekultur in Potsdam“ am morgigen Mittwoch und am Donnerstag, 26. Juni, jeweils 17.30 Uhr, vor dem Besucherzentrum an der Historischen Mühle. Die Teilnahmegebühr beträgt 9 Euro
Dirk Becker
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