
© Göran Gnaudschun
Kultur: Als hätte man gerade ein Stück Schokolade gegessen
Das Weihnachtsmärchen „König Drosselbart“ im Hans Otto Theater begeistert die Kinder
Stand:
Ab und an ein einzelner Lacher aus den Reihen des Publikums. Der vor allem aber bei den Kindern fragende Blicke hervorruft. Für Erwachsene gibt es bei „König Drosselbart“ wahrlich nicht viel zu lachen. Nur ab und an ist in der Handlung etwas unterschwellig versteckt, über das nur sie lachen können. Aber ein solches Märchen, vor allem als Weihnachtsmärchen, soll ja weniger die Erwachsenen, sondern vor allem die Kinder ansprechen. Und die ließen sich von „König Drosselbart“ nach den Gebrüdern Grimm bei der Premiere am gestrigen Donnerstag im Hans Otto Theater zu wahren Begeisterungsstürmen hinreißen. Eine bezaubernd kindgerechte Inszenierung auf großer Bühne.
Die vielen „Ahs“ und „Ohs“ vonseiten der weiblichen Zuschauer, die den Beginn des Stücks begleiteten, galten ihr: der blond gelockten Prinzessin Heidelinde (Esther Agricola) in rosafarbenem Kleid. Doch die schöne Verpackung trügt, denn das Antlitz steht in komplettem Gegensatz zum fiesen Wesen der hübschen Prinzessin. Keinen König und keinen Grafen will sie haben, bis irgendwann kein Mann mehr sie haben will. Ein verzwicktes Problem für ihren Vater (Jörg Westphal), der sie endlich unter die Haube bringen will. Das Spiel plätschert eine Weile vor sich hin. Erst müssen ja die verschiedenen Freier um die Hand der Prinzessin abgewimmelt werden. Ein Abschnitt, in dem die Kinder im Publikum jedoch mit unfeinen Kommentaren über die gemeine Prinzessin ihren Teil zur Unterhaltung beitragen.
An den nächstbesten Bettler verschachert bringt erst eine List von König Heinrich von der Aue, oder auch König Drosselbart (Benjamin Schaup), die Prinzessin dazu, ihre Art, mit den Menschen umzugehen, zu ändern. Esther Agricola schafft es von der ersten Minute an, im Zuschauer eine herrliche Antipathie zu wecken und doch im Laufe des Stücks gut dosiert eine Entwicklung ihrer Figur erkennen zu lassen. So fügt sie ihr mit jeder Drehung der Bühne eine neue Facette hinzu. Mit einem fantastischen Detailreichtum lässt das wunderschöne Bühnenbild (Gisela Hillmann) zwar wenig Platz für eigene Interpretationen, was jedoch dazu beiträgt, dass auch die Jüngsten im Publikum vollkommen in die Geschichte hineingezogen werden.
Gerade die Interaktion der Schauspieler mit ihrem Publikum macht das Stück für die Kinder zu einem wahren Erlebnis. Das ohrenbetäubende Warngebrüll vor dem Feuer in der Hütte des Bettlers oder das Abklatschen mit dem singenden König Drosselbart hält die Konzentration der Kinder während der knapp eineinhalbstündigen Inszenierung stets aufrecht. Kein allzu leichtes Unterfangen. Doch gerade Benjamin Schaup, der zum ersten Mal auf einer Potsdamer Bühne zu erleben ist, gelingt das spielend. Von einer Rolle in die nächste schlüpfend ist es nicht nur für die Kinder eine wahre Freude, ihm zuzusehen. Sein ausgeprägtes Mienenspiel bereichert seine eleganten Bewegungen. Und selbst in der Rolle des Bettlers ist ihm ein gewisser Glanz, ein gewisser Stolz nicht zu nehmen.
Wird beim Schauspiel und dem Bühnenbild wirklich alles erdenklich Wünschenswerte in die Inszenierung gebracht, gehören die diversen Gesangseinlagen zu den Schwachstellen von „König Drosselbart“ in der Regie von Kerstin Kusch. Einzig Josip Culjak als Musikant Potzblitz überzeugt mit schöner Stimme.
Das Märchen der Gebrüder Grimm setzt Regisseurin Kerstin Kusch gerade für Kinder auf wunderschöne, weihnachtsmärchenhafte Weise um. Auch wenn die zum Teil übertriebene Einfachheit dem manchmal leicht übereifrigen Spiel auf der Bühne einen kleinen Abbruch zufügt. Mit „König Drosselbart“ bietet das Hans Otto Theater für die anstehende Weihnachstzeit genau das richtige Märchen an. Gibt es auch für den erwachsenen Zuschauer nicht unbedingt viel zu lachen, hinterlässt das Stück doch ein warmes Gefühl der Zufriedenheit. Fast so, als hätte man gerade ein Stück Schokolade gegessen. Der begeisterte Applaus und die minutenlangen „Zugabe“-Rufe der vielen kleinen Zuschauer bei der Premiere sind Beweis genug, dass mit dieser Inszenierung genau der Nerv der Kinder getroffen wurde. Und bei einem Märchen ist das ja wohl die Hauptsache. Chantal Willers
Wieder unter anderem am 25., 26. und 27. November, jeweils um 10 Uhr im Hans Otto Theater in der Schiffbauergasse. Weitere Termine unter
www.hansottotheater.de
Chantal Willers
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